Plastikflaschen

Mehrweg statt mehr weg(-werfen)

Energie & Ressourcen

Unsere Plastik-Zukunft braucht mehr als eine Strategie. Zwar schreibt uns die EU-Kunststoffstrategie Recyclingquoten vor, die wir erst mal umsetzen müssen, doch selbst das wird alleine nicht ausreichen, lautet der Schluss einer steirischen Studie. Und die Experten fordern recht deutlich: Mehrweg müsse gesetzlich verordnet werden. Nur so ließe sich Abfallvermeidung erzielen.

Kann die Steiermark mit der Europäischen Strategie in einer Kreislaufwirtschaft Schritt halten? Ja, denn sie weise aufgrund ihres hohen abfallwirtschaftlichen Niveaus eine gute Ausgangslage auf, sagt die aktuelle Studie „Umsetzung der EU-Kunststoffstrategie in der Steiermark“ der Montanuniversität Leoben. „Trotzdem werden substanzielle Verbesserungen und regionalspezifische Lösungsstrategien notwendig sein“, so die Studienautoren Martin Wellacher, Andreas Schaffernak und Stephan Lichtenegger. Auch die beiden großen Kunststoffaufbereitungsanlagen – die Sortieranlage von Saubermacher in Graz und die LDPE-Recyclinganlage der Ecoplast in Wildon – seien Besonderheiten der Steiermark, die es zu nutzen gelte.

Recycling ist kein Allheilmittel

Mit werkstofflichem Recycling alleine kann man die Abfallproblematik allerdings nie vollständig lösen. Schließlich stimmen die Zeitpunkte von Produktherstellung und Zur-Verfügung-Stellung von Rezyklat nicht überein. Entweder ist die Nachfrage nicht gegeben oder das Angebot zu gering. Daher die klare Forderung der Experten: „Abfallvermeidung durch Mehrweg muss gesetzlich verordnet werden.“ Der Hintergrund: Produktion und Handel würden sich unter den gegenwärtigen Umständen aus wirtschaftlichen Gründen gegen jegliche Verlängerung der Lebensdauer von Produkten zur Wehr setzen. Deutlich werde das am Beispiel der Getränkeverpackungen. „Trotz namhafter Initiativen seit über 2 Jahrzehnten, hat sich die Mehrwegquote massiv verringert und die wirtschaftlichen Motive von Verpackungsherstellern und Handel haben sich durchgesetzt“, heißt es in der Studie.

Der steirische Müllberg wächst

Doch wie erreichen wir nachhaltige Ziele? Die Verbesserung der Qualität des Kunststoffrecyclings, ein recyclingfreundliches Design oder die bessere und stärker harmonisierte getrennte Sammlung und Sortierung seien von Bedeutung. Wesentlich, denn bis zum Jahr 2025 rechnet man laut Amt der Steiermärkischen Landesregierung schließlich mit einem Anstieg des kommunalen Abfallaufkommens. Kunststoffabfälle sind sogar die am stärksten wachsende Abfallfraktion in der Steiermark. 131.000 Tonnen Kunststoffabfälle fielen 2018 in der Steiermark an. Diese wurden weitgehend verbrannt, nur zu 9 Prozent (12.313 Tonnen) wurden sie rezykliert.

Aufholbedarf beim Kunststoffrecycling

Von einer Recyclinggesellschaft könne im Kunststoffbereich noch lange nicht gesprochen werden, sagen die steirischen Wissenschaftler: Ihre Ergebnisse zeigen, dass auch nach einer Umsetzung der EU-Verpackungsrichtlinie 2018 im Jahr 2025 nach wie vor 79 Prozent der Kunststoffabfälle der Steiermark in die Verbrennung gehen werden. „Es ist zwar möglich, dass die Steiermark die Ziele für Kunststoffverpackungen erreicht, denn die von der EU adressierten Verpackungen sind nur ein Teil unseres gesamten Aufkommens. Andererseits werden viele andere Kunststoffabfälle weiterhin einer thermischen Verwertung zugeführt werden, da für sie keine verbindlichen Quoten und keine Herstellerverantwortung bestehen“, erklärt Universitätsprofessor Roland Pomberger vom Institut für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft der Montanuniversität Leoben.

Der Weg führt zu Mehrweg

Wie kommen wir nun auf den sprichwörtlichen grünen Zweig? „Der Ersatz von Einwegprodukten durch Mehrwegprodukte ist ein Schlüsselelement der Abfallvermeidung“, betont die steirische Studie. Obwohl die volkswirtschaftlichen und ökologischen Vorteile von Mehrweg gegenüber Einweg vielfach bewiesen worden seien, sei dies aber immer noch Gegenstand von Diskussionen. Dass es auch anders geht und selbst im Haushaltsbereich Mehrweg ein Weg ist, zeigt sich in manchen Drogeriemärkten. Flüssige Putz- und Waschmittel können in Wiederbefüllstationen „nachgeladen“ werden. Plastikverpackungen werden so eingespart.

„Mehrweg-Verpackungen sind eindeutig ressourceneffizienter in Bezug auf den Materialeinsatz bei gleichem Material“, betont auch Pomberger, obwohl dies nicht generalisiert werden könne. „Die Motivation, insbesondere des Handels, Mehrweg zu fördern, war bisher sehr ,bescheiden‘. Falls auf freiwilliger Basis dieser negative Trend nicht gestoppt werden kann, ist die Verordnung von Mehrwegzielen eine politische Möglichkeit. Persönlich würde ich mir vom Handel mehr freiwilliges Engagement wünschen“, sagt er. Eine „Mitverantwortung“ liegt aber auch im Produktdesign. Viele Kunststoffabfälle sind schließlich nicht wiederverwendbar. Sie haben eine kurze Nutzungsdauer, da ihnen ein entsprechendes Design fehlt. Diese Ausrichtung auf den einmaligen Gebrauch setzen die Studienautoren auch mit „eingebauter Obsoleszenz“ gleich.

Zitat Pomberger

Quo vadis Styria?

Doch was kann das Land Steiermark nun konkret tun? Wellacher, Schaffernak und Lichtenegger schlagen einerseits Subventionen für Mehrweglösungen vor, wie zum Beispiel die Unterstützung (lokaler) Abfüller, die Mehrwegverpackungen für ihre Getränke wählen. Außerdem sprechen sie sich für Verbote, Einschränkungen bzw. Abgaben für Einweglösungen aus. Dies könne etwa für in Einwegverpackung angebotene Lebensmittel im öffentlichen Bereich oder bei Landesgesellschaften gelten. Die Unternehmen des Entsorgungs- und Ressourcenmanagements, insbesondere die Privaten, sieht Experte Roland Pomberger in diesem Zusammenhang als Problemlöser: „Sie stellen die notwendige Infrastruktur und machen die operative Arbeit. Die neuen Ziele sind allerdings extrem herausfordernd und brauchen insbesondere höhere Sortiertiefe, d.h. wir müssen alles Verwertbare auch tatsächlich aus dem Abfallgemisch heraussortieren. Dafür werden wir neue Sortieranlagen mit neuen innovativen Sortiertechnologien brauchen. Die technologischen Entwicklungen, insbesondere bei der sensorgestützten Sortierung, sind ein Schlüsselfaktor. Wir als Montanuniversität forschen gemeinsam mit mehreren steirischen Wirtschaftspartnern an diesen neuen Technologien und werden Anfang 2021 unser neues ,DIGITAL Waste Characterisation LAB‘ in St. Michael in Betrieb nehmen.“ Ein weiterer Schritt, um doch zur „Recyclinggesellschaft“ zu werden und mit mehreren sinnvollen Strategien in eine nachhaltige Zukunft zu starten.

Forschung Wasserstoffauto

Wie sieht unsere Plastik-Zukunft aus und sind Mehrwegsysteme wirklich die Lösung? (Credit: Lunghammer).

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