Energie & Ressourcen
Wie kann die heimische Industrie klimafreundlicher werden? Im Jahr 2021 war sie für rund 28 Millionen Tonnen CO2 und damit für mehr als ein Drittel der gesamten Emissionen in Österreich verantwortlich. An welchen Hebeln man ansetzen kann, hat die Montanuni Leoben untersucht.
Welche Impulse sind für eine klimaneutrale Zukunft der heimischen Industrie nötig? Thomas Kienberger, Leiter des Lehrstuhls für Energieverbundtechnik an der Montanuni Leoben, hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Der Wissenschafter verfolgte dabei den Ansatz, gemeinsam mit emissionsintensiven Unternehmen nach Lösungen zu suchen. Aus Sicht der Wissenschaft zeigt er, wie mit umfangreichen und ambitionierten Maßnahmen die vollständige Klimaneutralität der österreichischen Industrie bis 2050 erreicht werden könnte.
Erneuerbare Gase und Elektrifizierung
„Klimaneutralität in der Industrie zu schaffen, darf nicht Deindustrialisierung bedeuten“, betont Kienberger. Das Auslagern von CO2-Emissionen etwa durch Produktionsverlagerung sei keine Option. Denn nur weil man selbst vor Ort keine Emissionen habe, wäre man der klimaneutralen Produktion noch keinen Schritt nähergekommen. Die Basis für die Transformation bilden vier technologische Hebel: der Einsatz von erneuerbaren Gasen und Biomasse, die Elektrifizierung und eine gesteigerte allgemeine Energieeffizienz, CO2-Abscheidung sowie die Kreislaufwirtschaft.
Wasserstoff statt Kohle
„Erdgas ist heute der wichtigste Energielieferant für Wärmeanwendungen. Aber dafür braucht man eigentlich kaum Gas“, erklärt Kienberger. Hier könnten Hochtemperaturwärmepumpen für effizientere Elektrifizierungsprozesse genutzt werden. Jedoch steht deren Entwicklung noch am Anfang. Ähnliches gilt für Kohle als Energieträger in der Industrie. „In Zukunft wird Wasserstoff Kohle ablösen, die heute insbesondere in der Stahlerzeugung verwendet wird“, erläutert der Forscher. Wasserstoff hat noch ein weiters Potenzial: die Herstellung von Kunststoffen. Derzeit werden diese aus Kohlenwasserstoffverbindungen produziert, die bei der Raffinierung von Rohöl entstehen. Wird künftig auf Erdöl verzichtet, könnte Wasserstoff in Kombination mit CO2 als Ersatz in der Kunststoff-Produktion einspringen.
Kunststoff aus H2 und CO2
Dafür könnte CO2, das bei der Umwandlung von Kalkstein in Zement anfällt, verwendet werden. Kienberger sieht hier großes Potenzial: „Aus diesen nichtvermeidbaren Emissionen der Zementindustrie könnte in Österreich zusammen mit Wasserstoff Kunststoff erzeugt werden, der theoretisch ausreicht, um den heimischen Bedarf zu decken.“ Derzeit ist das aber noch reine Theorie. So müssten Speichermethoden und Transportwege für CO2 entwickelt werden, um die chemische Verbindung wirtschaftlich nutzbar zu machen. Auch bräuchte es eine gemeinsame europäische Wasserstoffversorgung, um diesen in ausreichender Menge verfügbar zu machen.
„Icing on the cake“
Als „Icing on the cake“ ist die Kreislaufwirtschaft zu sehen. Auch wenn nicht alles rezyklierbar sei, könne sie einen großen Beitrag dazu leisten, den eingesetzten Energieaufwand zu minimieren. Das Problem: Abfall ist ein knappes Gut. „Die Neuproduktion von Stahl braucht viel Energie, was Recycling wichtig macht. Aber die Metalle, die wir heute recyclen, wurden im Durchschnitt vor 20 Jahren produziert. Inzwischen haben wir ein anhaltendes Wirtschaftswachstum erlebt. Das bedeutet: Der Hunger nach recyceltem Stahl ist größer als das Material, das heute zum Recyclen zur Verfügung steht.“