Leben & Gesellschaft
Die Meldungen über dramatische Auswüchse des Klimawandels, wie Überflutungen, Waldbrände oder orkanartige Stürme, mehren sich. So anschaulich uns diese die Folgen der Erderwärmung vor Augen führen – sie stellen nur einen vergleichsweise geringen Teil der Auswirkungen dar.
Etwa ein Viertel aller Krankheits- und Todesfälle weltweit wird von der WHO als umweltassoziiert angesehen. Klimawandelindizierte Naturkatastrohen stellen dabei nur die Spitze des Eisbergs dar. Die Folgen für unsere Gesundheit sind weit vielschichtiger. „Neue Erkenntnisse zeigen, dass der Klimawandel direkte und indirekte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat“, betont Lars-Peter Kamolz, Leiter des Zentrums für Regenerative Medizin und Präzisionsmedizin (COREMED) der JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft am ZWT in Graz und Vorstand der Universitätsklinik für Chirurgie der Medizinischen Universität Graz.
Direkt und indirekt
Zu den direkten Auswirkungen gehören beispielsweise intensivere Hitzewellen, die Hitzschlag und Hitzeerschöpfung verursachen können, sowie Luftverschmutzung, die beispielsweise Atemwegsprobleme wie Asthma verschlimmert. Zudem beeinflusst der Klimawandel die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Malaria und Dengue-Fieber. „Indirekte Auswirkungen sind Nahrungsmittelknappheit und Mangelernährung aufgrund von Extremwetterereignissen und Dürren, die die landwirtschaftliche Produktion beeinträchtigen“, so Kamolz und gibt weiters zu bedenken, „auch die Wasserqualität kann leiden, was die Ausbreitung von wasserübertragenen Krankheiten begünstigt.“
Versorgung gefährdet
Häufig übersehen werden psychische Gesundheitsprobleme, die eine weitere indirekte Folge des Klimawandels darstellen, wenn klimabedingte Belastungen Angstzustände und Depressionen auslösen. Der Klimawandel kann zudem Umweltmigration und soziale Spannungen verursachen, was häufig zu Konflikten führt. Und schließlich ist auch die Gesundheitsinfrastruktur extremen Wetterereignissen und damit verbundener Zerstörung ausgesetzt, wodurch unter Umständen gerade in Notsituationen der Zugang zur Gesundheitsversorgung stark beeinträchtigt wird.
Lebenserwartung beeinflusst
Und diesen Zugang werden wir weiterhin dringend benötigen, denn die durch den Klimawandel hervorgerufenen Veränderungen treten viel schneller ein, als sich der menschliche Körper anpassen kann – deutlich bei den längeren und stärkeren Hitzeperioden. Gesundheitliche Probleme und Nahrungsmittelunsicherheit durch den Klimawandel beeinflussen insbesondere bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen langfristig die Lebenserwartung.
Alarmierende Anzeichen
„Die jüngsten Naturkatastrophen sind alarmierende Anzeichen des Klimawandels“, rüttelt Kamolz auf. „Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass der Klimawandel Häufigkeit und Intensität von Extremereignissen erhöht. Es ist also nicht mehr legitim zu behaupten, dass alle aktuellen Wetterextreme auf natürliche Variabilität zurückzuführen sind. Der menschgemachte Klimawandel trägt definitiv zu diesen Ereignissen bei, und das Verständnis dieser Zusammenhänge ist entscheidend, um angemessene Maßnahmen zu ergreifen.“
Mehr Aufmerksamkeit gefordert
Kamolz fordert daher mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema. „Langfristige Anpassungsstrategien sind zu fördern, um unsere Infrastruktur widerstandsfähiger gegen extreme Wetterereignisse zu machen und natürliche Ökosysteme zu schützen“, so Kamolz. „Als Arzt und Forscher betone ich in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Investitionen in Forschung und Überwachung: Neue Erkenntnisse und Technologien sind entscheidend, um den Klimawandel besser zu verstehen und seine Auswirkungen vorherzusagen.“ Und – internationale Zusammenarbeit sei hier unerlässlich, da der Klimawandel keine Grenzen kennt, unterstreicht der Forscher.
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Lars Peter Kamolz (Foto: Thomas Fischer)