Leben & Gesellschaft
Mit dem Thema Klimaerwärmung haben Projekte zur Begrünung in den Städten massiv zugenommen. An und für sich eine erfreuliche Entwicklung. Doch bringt sie zum Teil auch unerwünschte Folgen mit sich – Stichwort: Green Gentrification.
Begrünte Wohnviertel steigern die Lebensqualität, feuern aber auch die Miet- und Immobilienpreise an. Dadurch werden oft jene Bewohner verdrängt, die bisher in diesen ehemals günstigen Wohngebieten leben. Bestes Beispiel ist New York. Der ehemals für seine günstigen Mieten bekannte „Meatpacking District“ erfuhr durch die zwischen 2009 und 2014 eröffnete „High Line“ – ein Park auf der einstigen Bahntrasse – eine enorme Aufwertung. Die Wohngegend wurde für Einkommensschwache zunehmend unerschwinglich. Ein Effekt, der so weder erwünscht noch erwartbar war.
Weltweites Phänomen
Green Gentrification nennt man das globale Phänomen der Verdrängung eingesessener Wohnbevölkerung infolge extensiver Begrünung. Es wird inzwischen international erforscht, etwa von Thomas Thaler am Institut für Landschaftsplanung an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien. „Bis zu vier Kilometer vom Bahnsteig entfernt, lässt sich rund um die High Line immer noch ein Effekt dieser massiven Bodenpreissteigerungen feststellen“, bestätigt er. „Weltweit ist Green Gentrification tatsächlich ein Problem“, so Thaler. „Zugrunde liegen diesem Phänomen aber oft bestehende Probleme auf dem Wohnungsmarkt.“
Gefahr von Verdrängung
Auch in Europa gibt es dieses Phänomen. Erstmals tauchte es in Barcelona auf, wo die „Superblocks“ – ein Zusammenschluss von mehreren Häuserblöcken, zwischen denen der Verkehr reduziert und vermehrt auf Grün gesetzt wird – einen großen Beitrag dazu leisteten, dass Mieter wegziehen mussten. „Kommunen wie Nantes oder Kopenhagen wollen gänzlich zur grünen Stadt werden, wodurch die Gefahr großräumiger Verdrängung von sozial schwacher Bewohnerschaft entsteht“, gibt Thaler zu bedenken. Eine Entwicklung, die oft auf bestehenden Problemen am Wohnungsmarkt wurzelt.
Wien hat Sonderstellung
Wien ist anders. Durch den hohen Anteil an gefördertem Wohnbau tritt Green Gentrification (noch) nicht bzw. nicht in dem wie in anderen Städten zu beobachtenden Ausmaß auf. Der Ursprung liegt im „Roten Wien“ und seiner Sozialdemokratischen Kommunalpolitik der 1920er- und 30er-Jahre. Thaler hebt auch die Architektur dieser Zeit hervor. „Die damals entstandenen Gemeindebauten – bekanntestes Beispiel ist der Karl-Marx-Hof – haben in ihrem Zentrum alle einen begrünten Innenhof, der nicht nur zum Spielen und Verweilen einlädt, sondern auch viel Hitze nimmt. Denn (Groß-)Städte sind nun mal Hitzeinseln.“ Als positives Beispiel neueren Datums führt er die „Biotope City“ am Wienerberg an, eine real gewordenen Vision des Wiener Architekten Harry Glück, der als Gestalter des Wohnparks Alt-Erlaa bereits vor Jahrzehnten ein Vorzeigeprojekt für sozialen Wohnbau mit viel Grünraum schuf.
Besseres Wohnumfeld
Um der Entwicklung der Green Gentrification entgegenzuwirken, müssen daher laut Thaler bereits bestehende Probleme am Wohnungsmarkt durch klassische Instrumente des geförderten und sozialen Wohnbaus in den Griff genommen und günstiger Wohnraum geschaffen werden. Auch sind Konzepte zu bevorzugen, die Grünraum schaffen, der mehr in die Fläche geht, wie in Valencia. „Es geht schließlich darum, vulnerablen Menschen, die nicht privilegiert sind und sich kein eigenes Häuschen oder zumindest einen Schrebergarten leisten können, ein besseres Wohnumfeld zu schaffen, und gerade diese Menschen ziehen dann oft weg und profitieren letztlich nicht davon.“
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Thomas Thaler (Foto: Stefan Jeitler)