Forschung & Innovation
Sensoren sind die Schlüssel für die Recycling-Zukunft: An der Montanuni Leoben entsteht dafür eine einzigartige Forschungsinfrastruktur – das Digital Waste Lab. Steirische Unternehmen und Wissenschaftler arbeiten zusammen an unterschiedlichen Projekten mit einem gemeinsamen Ziel: Ressourcen einzusparen.
Die Digitalisierung macht auch vor dem Abfall nicht halt. Nein, damit ist nicht die Zunahme von Elektronikschrott gemeint, sondern die „KI“, also die Künstliche Intelligenz, die immer öfter die Ärmel hochkrempeln und das Sortieren in der Abfallwirtschaft übernehmen soll. Als „early bird“ sprach Universitätsprofessor Roland Pomberger von der Montanuniversität Leoben schon 2004 von den Möglichkeiten der „sensor based technology“ in der Abfallwirtschaft: „Damals wurde ich ausgelacht, weil das ja nie funktionieren kann. Ich habe das Potenzial erkannt, aber es war halt noch zu früh“, sagt er. Heute, 18 Jahre später, lässt er in St. Michael das Digital Waste Lab entstehen. Denn um Technologien, die das Recycling künftig in neue Dimensionen heben können, erforschen und in industriellem Maßstab ausprobieren zu können, gab es bisher keine geeigneten Anlagen. „Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, den nächsten Schritt zu gehen und das Digital Waste Lab zu bauen. Mit dieser Infrastruktur können wir neue Sensoren mit Mengen in der Größenordnung von 100 Kubikmetern testen – und nicht wie bisher im Labor mit nur mit ein paar Kilogramm“, erklärt Pomberger. Vom Rutschensortierer bis zum KI-gestützten Bandsensor hat man dann sämtliche Möglichkeiten zur Verfügung, die das Forscherherz begehrt. Und damit entsteht in der Steiermark etwas definitiv Einzigartiges: „Auch andere Universitäten haben schon angefragt, um hier ihre Entwicklungen testen zu können. Wir verbinden Technologieentwicklung mit der konkreten Anwendung in der Abfallwirtschaft.“
KI, bitte übernehmen Sie!
Mit der fortschreitenden Digitalisierung hat sich die Kerntechnologie, die sensorgestützte Sortierung, rasant entwickelt und sie wird sich noch weiterentwickeln. „Das Ziel sind immer sortenreine Stoffe, als Vorbereitung für das Recycling“, so Pomberger, „Sensoren sind dabei die Schlüsseltechnologie für die Abfallwirtschaft.“ Während die monotone Sortiertätigkeit am Förderband vor 20 Jahren noch ausschließlich von Menschen gemacht wurde, haben sich die Alternativen immer stärker weiterentwickelt, wenn auch bisher nicht in Bezug auf alle Abfallfraktionen. Bei der automatisierten Sortierung von Buntglas war Österreich bereits vor Jahrzehnten der Pionier, heute sind Anlagen in diesem Bereich längst „Sortier-Standard“.
Doch „da geht noch mehr“, wie es landläufig heißt: „Auf einem schnell laufenden Förderband können wir heute mit Hilfe von Sensoren Farben und Formen erkennen und auch Eigenschaften von Artikeln. Durch ,sensor fusion‘ werden die Informationen gemeinsam verarbeitet und zur Basis für eine Sortierentscheidung, die dann von Roboterarmen oder mit Hilfe von Druckluft ausgeführt wird“, erklärt Roland Pomberger. Weil in Hinkunft immer weniger Menschen für die Arbeit an den Förderbändern zur Verfügung stehen werden, gelte es die Einsatzgebiete dieser Technologie noch wesentlich zu erweitern. „In anderen Ländern gibt es bereits erste Anlagen mit Sensorsortierung für das Baustoffrecycling, etwa in Texas und der Schweiz, weil es dort bereits niemanden mehr gibt, der die Arbeit der händischen Sortierung machen will. Diese Entwicklung wird ein extremer Treiber für die Technologie werden“, prophezeit Pomberger.
Eine Technologie, viele Vorteile
Aber wo liegen denn nun die Möglichkeiten, die im Digital Waste Lab der Montanuniversität Leoben erprobt werden sollen? Einerseits ermöglicht die Technologie die Qualitätssicherung in den Anlagen, sagt der Experte. Mit der sensorgestützten Sortierung können die Prozesse schneller erfolgen, die „sortierbaren“ Partikel können immer kleiner werden und die Qualität der Stoffe und letztendlich des Recyclings kann steigen. Andererseits könnte eine Anlage über die Sensoren auch weitere wichtige Informationen erhalten und darauf reagieren: „Mit unserem Partner Komptech schauen wir uns das gerade an – wenn ein Zerkleinerer auf die Informationen von unterschiedlichen Zusammensetzungen reagiert und seine Parameter anpasst, also nicht immer gleich stark zerkleinert, kann er zum Beispiel Energie sparen.“
CO2 und Energie sparen
Und es gibt weitere Beispiele für Stoffströme in unterschiedlichsten Bereichen, auf die man die Sensor-Technologie ausweiten kann: Mit dem Unternehmen RHI Magnesita arbeitet die Montanuniversität Leoben aktuell im Rahmen eines EU-Projektes daran, die verbrauchten Materialien von feuerfesten Produkten zu reinigen, zu sortieren und wieder einsetzbar zu machen. Denn wird das Magnesit wiederverwendet, spart das große Mengen an CO2 und Energie – auch hier geht es vor allem darum, die Sensoren „fit“ für diese Aufgabe zu machen und den Prozess automatisiert erfolgen zu lassen. In manchen Bereichen scheinen die Lösungen greifbarer als in anderen: Die abfallwirtschaftlichen Grundgesetze besagen: Was ich nicht sammle, kann ich nicht sortieren. Und was nicht drinnen ist, kann ich nicht herausholen. Das klingt prinzipiell einfach. Schwierig wird es jedoch, wenn Materialien nicht unterschieden werden können, wie bei den Verbundstoffen. Nur zum Teil können diese so lange zerkleinert werden, bis eine Unterscheidung möglich wird.
Das Potenzial der sensorgestützten Sortierung ist auf jeden Fall enorm, doch mit äußerst „selbstgemachten“ Problemen bremsen wir die Möglichkeiten wieder ein – Stichwort Multilayer-Folien. „Das sind 3 bis 5 Kunststoffarten, die mit Klebstoffen laminiert sind. Diese Folien können bisher noch nicht getrennt werden. Für die Recycling-Prozesse ist deswegen entscheidend, dass Anlagen automatisiert entscheiden lernen, was eine Multilayer-Folie ist und was nicht. Das ist eine große Herausforderung, aber möglich. Wir haben dazu gerade einen Patentierungsprozess begonnen“, verrät Pomberger.
Das Design sollte den Unterschied machen
Wesentlich ist für den Experten in diesem Zusammenhang die Öko-Modulation, also dass tatsächlich gut recycelbare Verpackungen auch günstiger sein sollten. Schließlich macht es einen großen Unterschied für den Recyclingprozess und damit auch für unser gesamtes Ökosystem, wenn eine eigentlich gut recycelbare PET-Flasche vom Hersteller mit einer schwarzen Folie überzogen wird und dadurch nicht mehr automatisiert als PET-Flasche erkennbar ist. Sie ist dann nämlich für den Recyclingprozess verloren. „Die theoretische, die technische und die reale Recyclingfähigkeit sind verschiedene Baustellen. Ein Produzent setzt eine recyclingfähige Verpackung ein, der andere nicht, aber sie werden gleich behandelt. Hier muss die Gesetzgebung eingreifen. Für recyclingfreundliches Design müssen dringend Anreize geschaffen werden“, fordert der Universitätsprofessor.
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Aktuelle Projekte von steirischen Unternehmen
- RHI Magnesita: Gebrauchte Feuerfestmaterialien werden bereits recycelt. In einem EU-Projekt arbeiten Forschende und Unternehmen daran, Sensoren für die Aufgabe der Sortierung einzusetzen und die Recyclingprozesse zu automatisieren, um weiter CO2 und Energie zu sparen.
- Komptech: Im aktuellen Forschungsprojekt sollen die Anlagen für die Zerkleinerung von festen Abfallstoffen „lernen“ auf unterschiedliche Zusammensetzungen des Ausgangsmaterials zu reagieren. Kann die Maschine über Sensoren Informationen erhalten und ihre Parameter anpassen, so muss sie nur so viel Energie einsetzen, wie unbedingt nötig ist und spart damit Energie ein.
- Mayer Recycling: Das Digital Waste Lab, das in St. Michael entsteht, wird die Basis für die Entwicklung von Innovationen im Bereich der sensorgestützten Abfallsortierung. Das von der Montanuniversität initiierte Projekt entsteht in Kooperation mit Siemens, Andritz AG, Komptech, Stadler und Saubermacher auf einem Grundstück von Mayer Recycling.