„Ich würde ja gerne, aber …“ – Was hält uns auf?

Leben & Gesellschaft

Jede und jeder von uns verbraucht pro Jahr rund 13 Tonnen CO2. Um den Klimawandel zu stoppen, dürften es höchstens 2 Tonnen sein. Umweltpsychologe Sebastian Seebauer von der JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft weiß, dass sich die Menschen tatsächlich radikale Veränderungen wünschen…

Umweltpsychologe Sebastian Seebauer

Was sind denn Ihre kleinen Klimasünden?

Sebastian Seebauer: Meinen Kaffee mit Kuhmilch zu trinken. Und ich liebe es, lange warm zu duschen. Das sind sicher keine Pluspunkte für meinen CO2-Fußabdruck. Durch konsequentes Radfahren versuche ich das zu kompensieren.

Sie haben deswegen also kein schlechtes Gewissen?

Nein, ich esse ja auch gerne einmal in der Woche ein Stück Fleisch. Es geht nicht darum, radikal von heute auf morgen sein Leben auf den Kopf zu stellen, sondern seine Gewohnheiten und deren Auswirkungen auf das Klima zu kennen und daraus Schlüsse zu ziehen. Wir müssen jetzt aktiv werden, wenn wir die Klimaziele bis 2040 erreichen wollen. Nötig ist es, seine Lebensgewohnheiten zu verändern und den persönlichen CO2-Fußabdruck Stück für Stück zu reduzieren. Ein erster Schritt ist übrigens, sich über die persönlichen Emissionen mit einem CO2-Fußabdruckrechner klar zu werden, etwa mit dem Lifestylecheck von JOANNEUM RESEARCH..

Wer seinen CO2-Fußabdruck kennt, verändert vielleicht auch sein Kaufverhalten und kauft regional und plastikfrei am Markt ein.

Das Ergebnis wird uns dann sicher schockieren?

Auf den ersten Blick, ja. Aber jeder Berg sieht von unten hoch aus. Schon vorweg gesagt: Seinen eigenen CO2-Verbrauch so zu reduzieren, dass man auf die maximal 2 Tonnen pro Jahr kommt, die man als globale Bürgerin oder Bürger maximal verbrauchen dürfte, ist nicht möglich. Denn selbst ein vorbildliches Leben kompensiert nicht das klimaschädliche Verhalten der österreichischen Gesamtbevölkerung. Aber: Deswegen nichts an seinem Verhalten zu ändern, weil man sich unbedeutend fühlt, ist der falsche Rückschluss. Kleine Schritte führen zum Ziel. Es ist wie bei der Raucherentwöhnung: Man muss es wollen.

Wo fällt denn am meisten Treibhausgas an?

Bei den meisten Menschen in den vier Hauptbereichen: Wohnen, Alltags- und Urlaubsmobilität sowie Ernährung. Wenn ich erkannt habe, wodurch meine Emissionen in diesen Bereichen zustande kommen, kann ich meinen Lebensstil hinterfragen: Wo kann ich die klimafreundliche Alternative ausprobieren, Schritt für Schritt. Es geht nicht darum, alles auf einmal zu verändern, sondern mit einem Bereich zu beginnen, wo es mir leichtfallen wird, etwas zu ändern. Vielleicht möchte ich mal mehr vegetarisches Essen ausprobieren oder mit dem Rad zur Arbeit oder zum Einkaufen fahren. Wenn ich dann konsequent auf das Auto verzichte, kann ich dafür im Gegenzug in den Urlaub fliegen.

Ich würde das ja gerne machen, aber ich lebe am Land und dort gibt es keinen vernünftigen öffentlichen Verkehr.

Man könnte in einem ersten Schritt mit dem Auto bis zum nächsten Bahnhof und von dort mit dem Zug in die Arbeit fahren. Während der Zugfahrt kann man arbeiten. Wer etwas ändern will, muss Verschiedenes ausprobieren. Es ist eine Klischeevorstellung, dass 90 Prozent der Bevölkerung in Österreich in entlegenen Orten fernab der urbanen Zentren leben und auf das Auto angewiesen sind. Das Gegenteil ist der Fall. Natürlich wird es individuelle Rückschläge geben. Aber auch Erfolgserlebnisse und positive Erfahrungen. Diese sollte man dann in der Familie und unter Freunden weitererzählen.


Der Zug als rollendes Arbeitszimmer – für viele ist das bereits gelebte Realität. 

Was ist denn Ihre Erfolgsgeschichte?

Ich mache inzwischen alle Dienstreisen nur noch mit dem Nachtzug. Vor kurzem war ich in Manchester. Ja, das geht mit dem Zug, man muss zwar rechtzeitig buchen und genug Zeit einplanen, die Fahrt dauert rund 26 Stunden. Diese habe ich zum Schlafen und zum Arbeiten genutzt. Für mich sind Züge mittlerweile rollende Arbeitszimmer.

Wollen die Menschen überhaupt ihr Verhalten konsequent ändern?

Ja, die Bevölkerung ist weiter als die Politik. Umfragen zeigen ein hohes Problembewusstsein und eine hohe Bereitschaft für entschiedenes Handeln. Das wurde auch beim Klimarat, den ich wissenschaftlich mitbetreuen durfte, deutlich. 100 Personen wurden als eine Art „Mini-Österreich“ stellvertretend für die Gesamtbevölkerung ausgewählt, um der Frage nachzugehen: Was müssen wir heute tun, um morgen in einer klimafreundlichen Zukunft zu leben? Interessant war für mich als Psychologe, den Wandel im Verhalten der Teilnehmenden mitzuverfolgen. Die Bürger wollen radikale Veränderungen.

Rad statt Auto – einfach mal ausprobieren, dazu rät Umweltpsychologe Sebastian Seebauer.

Sie bleiben also weiterhin optimistisch, dass wir etwas ändern können, wenn wir es wollen?

Ich würde sagen, ich bleibe ein gesunder Zweckoptimist. Wir haben keine Alternative, die Physik des Klimawandels lässt nicht mit sich verhandeln. Bei den Teilnehmenden des Klimarats konnte man eine Art „Phasen des Trauerns“ mitverfolgen: Zunächst waren sie aufgeschlossen, ohne großes Vorwissen für den Klimawandel und dessen Folgen. Dann kam die Bedrücktheit ob der Situation. Die nächste Phase war geprägt von Euphorie und Tatendrang. Um dann zu erkennen, welche Schwierigkeiten es bei der Umsetzung gibt. Schließlich wurde konstruktiv diskutiert. Die ausgearbeiteten Vorschläge sind ziemlich radikal. Zum Beispiel ein Verbot von Verbrennermotoren noch vor 2030, eine CO2-Steuer, Fahrverbote für Innenstädte und eine Sanierungspflicht für Bestandsgebäude. Klimaschutz liegt nicht nur in der Verantwortung jedes Einzelnen, sondern erfordert politisches Handeln. Die Politik hat den Klimaschutz in den letzten Jahrzehnten verschlafen. Um an den großen Stellschrauben etwas zu verändern, braucht es rasch Strukturen, die allen ein klimafreundliches Leben ermöglichen.

 

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