Es muss ja nicht immer alles neu sein

Leben & Gesellschaft

Smartphones, Tablets und Co werden heute nicht nur neu, sondern auch professionell „erneuert“ angeboten, zugleich steigt die Nachfrage nach Reparaturbetrieben. Wurde jahrzehntelang möglichst billig produziert und war eine Reparatur weder erwünscht noch möglich, lässt sich nun der Gegentrend beobachten.

Es tut sich was in den Köpfen der Konsumenten. Unter dem Begriff „refurbished“, also aufgefrischt, kommt Elektronik „wie neu, nur billiger“ – so das Versprechen – auf den Markt, der Andrang bei Reparatur-Netzwerken steigt permanent und das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie unterstützt mit dem Reparaturbonus Unternehmen und Privatpersonen auf ihrem Weg unserer Wegwerfgesellschaft den Rücken zu kehren.

Smartphones erleben aktuell den „refurbished“ Trend

Produktlebenszyklen sinken stetig

Und das ist auch höchste Zeit, denn der Produktlebenszyklus – von Elektronik bis Bekleidung – ist in den letzten Jahrzehnten stetig gesunken. Bereits im Jahr 2019 haben wir beispielsweise 53,6 Mio. Tonnen Elektroschrott weltweit produziert – Tendenz weiter steigend! Aber wie lässt sich dem entgegenwirken? Ansätze gibt es, wie gesagt, schon einige. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Hersteller von Elektrogeräten. Denn viele (Klein-)Geräte lassen sich gar nicht oder nur mit Spezialwerkzeug öffnen, wodurch selbst einfache Reparaturen unmöglich gemacht werden.

Recht auf Reparatur

Die US-Community „ifixit“ hat daher das „Manifest der eigenständigen Reparatur“ verfasst. Darin fordert sie das Recht auf Geräte, die geöffnet werden können, sowie auf Fehlercodes und Schaltpläne. Die Community ist mittlerweile auch in Europa angekommen und liefert auf ihrer Website de.fixit.com zig-tausende kostenlose Reparaturanleitungen und ein Forum für eigenständige Reparaturen von der Spielkonsole bis zum LKW.

Reparatur statt entsorgen

Geräte mieten statt kaufen

Doch auch auf Seiten der Hersteller ist ein Umdenken zu beobachten. So denkt beispielsweise BSH, Europas größter Hausgerätehersteller und 100-prozentige Tochter der Bosch-Gruppe, daran, Haushaltsgeräte zu vermieten. Blieben die Geräte im Besitz des Herstellers wäre dieser nicht nur an einer möglichst langen Lebensdauer interessiert, sondern würde auch nach Nutzungsende optimales Recycling gewährleisten. Da BHS bei der Vermietung vorerst mal nur mit rund 20 Prozent überzeugten Endkunden rechnet, setzt das Unternehmen darüber hinaus auf sogenanntes „Ökodesign“ – eine Art Baukastenprinzip, das sicherstellt, dass einzelne Bauteile unkompliziert ausgetauscht werden können. Zudem soll durch einfache Wartung etwaigen Reparaturen bereits vorgebeugt werden.

Langsam ist das neue Schnell

Warum das so wichtig ist, erklärt Nancy Bocken vom Zukunftsinstitut. In ihrem Artikel „Langsam ist das neue Schnell“ fordert sie auf: „Anstatt unnötig eine kontinuierliche Nachfrage nach Produkten voranzutreiben, die wir nicht wollen oder brauchen, können Fehlkäufe vermieden und Ressourcenkreisläufe verlangsamt werden.“ Und sie belegt die Wichtigkeit dieses Umdenkens mit einem plakativen Beispiel. „Berücksichtigt man die erhöhte Energieeffizienz, sollten etwa Kühlschränke, die im Jahr 2011 gekauft wurden, noch 20 Jahre verwendet werden, da die Vorteile der Weiterverwendung die Vorteile der Energieeffizienz überwiegen würden – aktuell werden sie aber nur durchschnittlich 14 Jahre genutzt.“

Zusammenspiel von Unternehmen, Politik und Konsumenten

Es geht nun also darum an allen Hebeln anzusetzen – Unternehmen, Politik, aber natürlich sind auch wir Konsumenten gefordert, den Lebenszyklus unserer gekauften Produkte wieder in die Höhe zu schrauben. Das geht, indem wir sie möglichst lange nutzen, gegebenenfalls reparieren und öfter mal auch zu Gebrauchtem statt Neuem greifen. Hersteller sind aufgerufen, dies in ihrem Produktionsprozess zu berücksichtigen und ermöglichen. Und die Politik kann durch die Begünstigungen für Wartung und Reparaturen oder auch Förderung von Sharing-Konzepten ihren Teil dazu beitragen.

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