Sujetbild zum Thema Gewohnheiten ändern - Person mit Fleisch-Gericht und vegetarischem Gericht in der Hand

Gewohnheiten ändern: Zu faul, um etwas Neues auszuprobieren?

Leben & Gesellschaft

Die negativen Auswirkungen des Klimawandels sind bereits deutlich spürbar. Dennoch wird nach wie vor zu viel Fleisch gegessen, mit dem Auto gefahren und Abfall schlampig getrennt. Ist der Mensch einfach nur zu faul zum Gewohnheiten ändern? Und wie geht man es an, wenn man tatsächlich sein Verhalten und seine Gewohnheiten ändern will?

Antworten von Thomas Brudermann, der sich am Institut für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung der Uni Graz damit beschäftigt, wie sich Menschen entscheiden und warum das Gewohnheiten ändern so schwierig ist.

Egal ob in Sachen Mobilität oder beim Einkaufen: Wovon hängt es eigentlich ab, für welche Option wir uns entscheiden?
Thomas Brudermann: Wir treffen jeden Tag unzählige Entscheidungen – die allermeisten davon völlig unbewusst. Und das hat einen einfachen Grund: Unsere Gehirne sind auf Energieeffizienz ausgelegt – und über jede Entscheidung bewusst nachzudenken wäre immens aufwändig. Zu sagen, der Mensch wäre „zu faul“ greift hier zu kurz. 90 Prozent der kognitiven Signale, die täglich auf uns hereinprasseln, werden gar nicht verarbeitet, sondern „ausgefiltert“. Der Großteil der Signale gelangt gar nie in jene Teile des Gehirns, in denen sogenannte rationale Entscheidungen getroffen werden.

Man trifft also in den allermeisten Fällen „aus dem Bauch heraus“ eine Entscheidung …
Brudermann: Ja, wir wenden dabei oft „Daumenregeln“ an. Man nimmt z. B. jenes Produkt, das man schon kennt, oder das billigste. Entscheidungen sind aber nicht nur von Gewohnheiten und Einstellungen getrieben, sondern ganz stark auch von Rahmenbedingungen und Möglichkeiten. Menschen mit höherem Einkommen konsumieren beispielsweise tendenziell umweltschädlicher – einfach, weil sie es sich leisten können, sich für das Steak aus Argentinien oder das PS-starke Auto zu entscheiden. Zwar kauft man dann vielleicht öfter im Bio-Laden ein, nimmt das aber auch gern als „Entschuldigung“ dafür, mit dem Flugzeug zu fliegen. Im Fachjargon nennt man das „Moral Licencing“: Man verhält sich in einem Bereich umweltfreundlicher, um sich bei umweltschädlichem Verhalten in anderen Bereichen nicht schlecht fühlen zu müssen.

Für den Klimaschutz Gewohnheiten ändern

Aber sind das nicht alles nur faule Ausreden? Wie kann man den Menschen bewusst machen, dass jeder einzelne einen Beitrag leisten muss?
Brudermann: Leider ist der Klimawandel – trotz zunehmender Wetterextreme und anderer negativer Auswirkungen – für den Einzelnen schwer greifbar. Das macht Verhaltensänderungen schwieriger bzw. benötigen diese eine besondere Motivation. Sehr hilfreich können die richtigen Rahmenbedingungen sein. Diese so zu gestalten, dass ein gewünschtes Verhalten wahrscheinlicher wird, nennt man im angloamerikanischen Raum „Choice Architecture“ oder „Nudging“. Frei übersetzt „einen Schubser in die richtige Richtung“.

Wie konkret kann man sich diesen „Schubser“ in der Praxis vorstellen?
Brudermann: Indem man das gewünschte Verhalten für die Menschen einfacher und ansprechender macht, aber nicht zwingt und nicht verbietet. Etwa, dass man das Buchen von europaweiten Zugtickets ähnlich einfach gestaltet wie das Buchen eines Kurzstreckenfluges. Und natürlich darf das Zugticket auch nicht 5-mal so viel kosten, wie ein Flug. Es geht aber keineswegs nur um finanzielle Anreize, da muss man vorsichtig sein. In Fällen, in denen man z. B. Menschen für Blutspenden bezahlt hat, ist die Zahl der Spender gesunken, weil damit die idealistische, pro-soziale Komponente in den Hintergrund getreten ist. Finanzielle Anreize verdrängen die moralische und soziale Verantwortung. Sehr hilfreich kann auch eine möglichst einfache Entscheidungshilfe sein. Etwa die viel diskutierte CO2-Ampel auf Produkten, die auf einem Blick zeigt, wie klimafreundlich ein Produkt ist. Aber natürlich braucht es dabei immer noch auch das bewusste Wollen des Einzelnen.

Gewohnheiten ändern: Wie funktioniert das wirklich?

Was kann man selbst tun, wenn man bewusst seine Gewohnheiten ändern will?
Brudermann: Gewohnheiten verschwinden nicht auf Knopfdruck, sie brennen sich quasi in unseren Gehirnen ein – sie lassen sich aber auch mit neuen Gewohnheiten „überschreiben“. Eine gute Gelegenheit dazu sind „windows of opportunities“. Diese tun sich auf, wenn sich der persönliche Alltag stark verändert, etwa bei einem Umzug in eine andere Stadt oder einem Jobwechsel. Weil man in solchen Situationen ohnehin neue Gewohnheiten entwickeln muss, fällt es einfacher – um ein Beispiel zu nennen –, mit Fahrrad oder Öffis statt Auto in die Arbeit zu fahren. Auch ein bisschen „sozialer Druck“ kann helfen, ganz ähnlich wie ein Trainingspartner zum Laufen motiviert. Ein regelmäßiges gemeinsames vegetarisches Mittagessen mit Kollegen an einem fixen Wochentag kann durchaus den Weg zu einem klimafreundlicheren Lebensstil bereiten.

Gewohnheiten ändern und heute Mal den vegetarischen Mittagsteller dem Fleisch-Teller vorziehen?
(Credit: Lunghammer)

  • Die meisten Entscheidungen werden unbewusst getroffen, man orientiert sich an Gewohnheiten und Einstellungen.
  • Auch spielt „Moral Licencing“ eine Rolle: Man verhält sich in einem Bereich umweltfreundlicher, um sich bei umweltschädlichem Verhalten in anderen Bereichen nicht schlecht fühlen zu müssen.
  • Für Verhaltensänderungen sehr hilfreich können die richtigen Rahmenbedingungen sein. Diese so zu gestalten, dass ein gewünschtes Verhalten wahrscheinlicher wird, nennt man im angloamerikanischen Raum „Choice Architecture“ oder „Nudging“. Frei übersetzt „einen Schubser in die richtige Richtung“.
  • Mehr über Thomas Brudermann und seine Forschung zu den Themen Entscheidungsfindung und nachhaltige Entwicklung: https://homepage.uni-graz.at/de/thomas.brudermann/

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