„Das Kleingedachte und Verzagte bringt uns nicht weiter“

Wirtschaft & Standort

Braucht es Verbote und Steuern, um dem Klimawandel zu begegnen? Leadership und Umsetzungsstärke würden uns weiter bringen als Diskussionen um die Plastiksackerl-Verbannung, war die Meinung beim Runden Tisch für das Magazin ROHSTOFF. Widersprüchlich sahen Unternehmer, Klimaaktivist und Nachhaltigkeitsexperte die Frage, welche Rahmenbedingungen es braucht und wer sie schaffen kann …

Der Klimawandel ist in aller Munde, doch wie wir das „heiße Eisen“ der Verhaltensänderungen anpacken, ist deshalb noch nicht klar. Wie aktiv kann und will sich die Gesellschaft einbringen und welche Vorgaben und Verbote braucht es „von oben“?

Jochen Pildner-Steinburg: Mit Verboten und CO2-Steuern alleine ist nichts zu machen. Egal in welchem Lebensbereich, wenn Verbote erteilt werden, versuchen die Menschen, diese zu umgehen. Klimaschutz ist ein komplexes Thema, wir diskutieren aber immer nur partielle Dinge und betreiben dann Reparaturpolitik – sehr medienwirksam, aber nach einer gewissen Zeit versandet das Thema wieder. Im Prinzip hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts verändert. Wer heikle Themen anspricht und im großen Stil was verändern will, gilt gleich als Populist. Das ist aber ein generelles Problem in unserer Gesellschaft. Und wir dürfen uns auch nicht überschätzen. Einzelmaßnahmen in Österreich sind schön und gut, leisten aber – global gesehen – nur einen minimalen Beitrag.

Fred Luks: Österreich hatte zwar lange den Ruf, ein Umweltschutz-Vorzeigeland zu sein. Ein Klimavorzeigeland ist es nicht. Wir reden zwar lautstark über das Thema, sind aber noch überhaupt kein Stück weiter. Wenn wir aber von anderen Ländern etwas einfordern, sind wir nur dann glaubwürdig, wenn wir selbst etwas tun. Wir müssen ein Wohlstandsmodell entwickeln, in dem die Preise die ökologische Wahrheit sagen – eine ökologische Steuerreform ist dabei der Dreh- und Angelpunkt. Und wenn wir jetzt nicht klare Rahmenbedingungen schaffen, braucht es in 10, 20 Jahren noch viel drastischere Veränderungen.

Klimawandel bekämpfen

Alexander Ahamer: Genau das fordern wir von „Fridays for Future“ ja auch von der Politik. Es braucht die Rahmenbedingungen, dass ein ökologischer Lebensstil leistbarer wird, um großflächig die Kaufkraft in lokale und nachhaltige Produkte umzulenken.

Daniela Müller-Mezin: Da muss aber die Politik mit der Industrie gemeinsam daran arbeiten und diese Veränderung muss von oben herab umgesetzt werden. Dazu braucht es Entscheidungsträger, die zu ihrem Wort stehen und das auch deutlich ausdrücken – und nicht mit falschen Diskussionen vom eigentlichen Problem ablenken und die Leute in die Irre führen. Das Plastiksackerl ist ein Paradebeispiel dafür …

Beim Plastiksackerl soll ein Verbot ja zu einer Verbesserung führen …

Frank Dicker: Dieses Plastik-Bashing ist unerträglich. Wir setzen 1,3 Millionen Tonnen Kunststoff in den Verkehr, 300.000 Tonnen Verpackungen und nur 6.000 Tonnen Plastiksackerl, die dann zum Teil auch noch recycelt werden. Die verbieten wir jetzt – das ist Placebo pur. Wenn wir ernsthaft etwas verändern wollen, ist das der falsche Weg. Am Plastik in den Weltmeeren ändert das Verbot in Österreich nämlich genau gar nichts. Der Fußabdruck eines Plastiksackerls ist um Hausecken besser als der eines einmal verwendeten Papiersackerls. Auch die Milch-Einwegverpackung aus Glas ist – was den ökologischen Fußabdruck angeht – schlechter als ihr Ruf. Das schaut zwar aufs Erste nachhaltig aus, wenn man aber weiß, dass die Flasche in Niederösterreich produziert, dann in Tirol befüllt und dann wieder retour zu den Verkaufsstellen transportiert wird, liegt auf der Hand, dass das absolut nicht klimafreundlich ist.

Lisa Rossian: Das muss man den Konsumenten aber erklären, das Wissen fehlt. Die wollen was machen, es brennt ihnen unter den Fingern. Ich merke zum Beispiel deutlich, dass immer mehr Leute nachfragen, wo die Lebensmittel herkommen.

Klimawandel braucht Expertentum

Es braucht also mehr Aufklärung und Bildung?

Dicker: Es braucht vor allem mehr Expertentum in Regierungs- und Entscheidungsgremien, die Gesellschaft als solches kann nicht Experte für alles sein. Egal ob CO2-Steuer, Pfand für PET-Flaschen oder ein anderes Thema – das ist alles nicht so einfach, da braucht es Experten, die sich damit beschäftigen und ein Konzept ausarbeiten. Dann haben die Konsumenten auch eine fundierte Basis, sich zu entscheiden.

Luks: Wenn sich die Konsumenten wesentlich durch Fakten und Wissen beeinflussen ließen, hätten wir eine andere Welt. Das funktioniert so leider nicht. Umweltsoziologisch ist gut belegt, dass sich das, was die Leute wissen, nicht automatisch auf deren Handlungen auswirkt. Es braucht andere Anreize – und das sind unter anderem die Preise.

Pildner-Steinburg: Da kann ich nicht ganz zustimmen, ich glaube sehr wohl, dass man durch Bildung Lebensgewohnheiten verändern kann. Leider schaffen wir in Österreich seit Jahrhunderten keine Reform des Bildungswesens. Die jungen Menschen lernen in der Schule über Lebensgewohnheiten – und auch über die Wirtschaft – bei Weitem nicht das, was erforderlich wäre. Und natürlich ist es auch eine Erziehungsfrage. Wir müssen unsere Kinder dahingehend erziehen, sparsam mit ihren Ressourcen umzugehen. Und nicht gedankenlos ein neues T-Shirt um 5 Euro zu kaufen.

Ist die „Fridays for Future“-Bewegung nicht ein Zeichen, dass die Jugend hier schon stark umgedacht hat?

Pildner-Steinburg: Ich schätze die Arbeit von „Fridays for Future“ sehr und nehme sie auch ernst. Aber wenn man nach einer Demonstration Unmengen an Coffee-to-go-Bechern herumliegen lässt, ist das irgendwie unglaubwürdig. Und es reicht auch nicht, nur zu fordern, macht dies nicht und macht jenes nicht. Sagt uns bitte, wie es besser geht!

Rossian: Es ist nicht alles eine Party bei „Fridays for Future“, es gibt da sehr viele, die sich intensiv mit dem Klimawandel beschäftigen. Das sehe ich auch an meinen Kindern.

Ökologisches Handeln muss leistbarer werden

Ahamer: Die Rolle von „Fridays for Future“ ist auch nicht direkt, die Lösungen bereitzustellen, dafür gibt es Experten und die Wissenschaft. Das ursprüngliche Ziel war, die Regierung darauf hinzuweisen, die Zusagen, die sie gegeben haben – Stichwort Paris-Klimaziele – auch einzuhalten. Und es ist schon richtig, dass man bei der Bildung ansetzen muss, aber da dauert es lange, bis sich etwas verändert. Es muss aber in den nächsten 5 Jahren viel passieren und dazu muss ökologisches Handeln leistbarer werden. Solange das Zugticket 3-mal soviel kostet wie der Flug, wird sich wenig ändern.

Womit wir bei der CO2-Steuer bzw. der ungleichen Besteuerung von Transportmitteln wären …

Müller-Mezin: Es ist doch ein Wahnsinn, dass ein Transport von China nach Europa nur wenige hundert Euro kostet. Was nichts kostet, ist nichts wert. Es braucht von allen Beteiligten ein klares Bekenntnis zu regionalen Kreisläufen, man muss nicht alles um die halbe Welt transportieren – muss es wirklich sein, dass wir Äpfel aus Neuseeland importieren?

Pildner-Steinburg: Das muss deshalb so sein, weil wir in Österreich die Nachfrage danach haben. Kein Unternehmen bietet etwas an oder produziert etwas, weil es lustig ist, sondern weil es der Kunde nachfragt. Ich stelle hier aber schon auch die Rolle der großen Handelsketten in den Raum.

Luks: Natürlich wäre es aus ökologischer Sicht gut, den CO2-Ausstoß innerhalb der nächsten 5 Jahre zu halbieren. Man darf aber nicht unterschätzen, dass zu starke Eingriffe auch zu ökonomischen und sozialen Krisen führen können. Das in Balance zu bringen, ist die Herausforderung.

Klimawandel erfordert Leadership

Wie kann man dieser Herausforderung begegnen, sodass sich auch tatsächlich etwas verändert – und nicht in 2 Jahren noch immer dieselben Themen diskutiert werden?

Ahamer: Um den Klimazielen gerecht zu werden, müssen wir – nachdem wir ein regionales, starkes Wirtschaftssystem aufgebaut haben – damit aufhören, Handel mit Ländern zu betreiben, die sich nicht an die Paris-Agreements halten.

Rossian: Es spiegelt sich letzten Endes ja auch in einer höheren Qualität wieder, wenn ich mein Gemüse direkt beim Produzenten einkaufe und beim Fleisch darauf achte, wo es herkommt. Diese Qualität ist es auch, mit der man beim Kunden punkten kann.

Dicker: Ich bin ein strikter Verfechter der freien Marktwirtschaft. Aber wenn wir Rahmenbedingungen wie die Deponieverordnung nicht hätten, würden wir wohl heute noch alles in den Wald schmeißen. Erst durch diese Reglementierung hat man über Recycling nachgedacht – und neue Technologien entwickelt. Und wir müssen auch schauen, dass wir auf europäischer und internationaler Ebene etwas voranbringen, Recyclingquoten von 70 bis 80 Prozent in Österreich und Deutschland stehen 2 Prozent in Rumänien gegenüber.

Müller-Mezin: Es muss ein klares Bekenntnis zu regionalen Kreisläufen geben – und die Rahmenbedingungen dafür. Dazu braucht es Menschen, die sich trauen, heikle Themen anzusprechen und diese auch über Legislaturperioden hinweg voran zu treiben.

Luks: Leadership ist ein zentrales Thema! Das Kleingedachte und Verzagte bringt uns nicht weiter.

Pildner-Steinburg: Was uns weiter bringt, sind unsere Technologien – Investitionen in die Forschung. Wir haben schon jetzt in der Steiermark viele kleine Betriebe, die hervorragende Umwelttechnologien entwickelt haben, das müssen wir weiter ausbauen, damit können wir weltweit punkten!

Es diskutierten am Runden Tisch für das Magazin ROHSTOFF:

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