Batterie im Restmüll

Klimakompensation: Tag der Abrechnung

Leben & Gesellschaft

Die Emissionen eines Fluges kann man per Klick auf Klimakompensation neutralisieren. Doch macht das Sinn oder beruhigt es nur unser schlechtes Gewissen? Immer wieder versuchen wir nachhaltig zu handeln, doch zerstören die Effekte selbst, weil wir uns im selben Zug ein paar Ausrutscher gönnen. „Reduzieren statt kompensieren“ lautet daher das einzig sinnvolle Motto, damit wir eine Zukunft haben, betont ein Grazer Wissenschaftler.

Egal ob bei Reisen und Mobilität, der (falschen) Abfallentsorgung oder der Pausen-Verpflegung im Büro: Eigentlich weiß man sehr gut, was (nicht) nachhaltig ist. (Credit: Lunghammer)

Ein leises Rascheln und schon landen die Batterien – natürlich nur ausnahmsweise – im Sackerl mit dem Restmüll. Schließlich haben wir ja letztens erst nachhaltig am Bauernmarkt eingekauft und sind dieses Monat schon mal Rad statt Auto gefahren. Da wird eine kleine Sünde wohl drinnen sein … Das psychologische Phänomen hinter dieser Handlung gehört zum Rebound-Effekt: Werden durch effizientere Technologien Einsparungen erzielt, legitimiert man damit moralisch vor sich selbst zusätzlichen Konsum. Kurz gesagt: Wer sich ein Sprit sparendes Auto kauft, fährt damit mehr. Wer Energiesparlampen verwendet, lässt sie viel länger brennen.

Energiesparmaßnahmen zunichte gemacht

Neben diesem direkten Rebound-Effekt hat die Wissenschaft auch den indirekten Rebound untersucht, wie Rupert Baumgartner von der Uni Graz erklärt: „Wenn eine Person Energiesparmaßnahmen setzt, dann bedeutet das auch finanzielle Einsparungen. Das heißt, es wird Geld für anderes frei und die Frage ist dann, wofür es eingesetzt wird.“ Fließt es beispielsweise in zusätzlichen Konsum, könnte es sein, dass die positiven Effekte der Energiesparmaßnahmen torpediert oder sogar zunichte gemacht werden.

Schlechtes Gewissen quält …

Das Gewissen ist unser Gespür dafür, wann unser eigenes Tun gut oder böse ist. Das schlechte Gewissen ist das, was uns – laut Duden – plagt und quält. In der Hochgeschwindigkeitswelt, die unser Alltag meist ist, gleicht die Qual jedoch meist weniger einer Selbstzerfleischung als eher einem „Ups, ich weiß ja, dass das jetzt nicht richtig war, aber …“. Es ist eben viel leichter, Entschuldigungen für das eigene Handeln zu finden, als anders zu handeln.

Ein Klick beruhigt das Gewissen

Wir würden wohl nicht im 21. Jahrhundert leben, wenn es nicht Möglichkeiten geben würde, das schlechte Gewissen per Klick zu beruhigen. Klimakompensation heißt das Stichwort, welches übrigens bereits 2007 zum „Unwort des Jahres“ in der Schweiz gekürt wurde. Wer CO2-Emissionen nicht vermeiden kann (oder will), kann sie „neutralisieren“. So bietet der FlixBus „klimaneutrale Busfahrten“ an, auch bei Austrian Airlines lässt sich klimaneutral verreisen. Das Geheimnis liegt aber weniger in neuen Antriebstechnologien als viel mehr in der Möglichkeit, gleich mit der Ticket-Buchung die Unterstützung zertifizierter Klimaschutzprojekte mitzubuchen. Für die berechneten CO2-Emissionen fließt ein entsprechender Beitrag in Klimaschutzprojekte, die CO2 vermeiden, beispielsweise Sonnenkollektoren, Wind- oder Wasserkraft.

Emissionen kompensieren

Ein Anbieter zur Klimakompensation ist Climate Austria, aus einer Kooperation der Kommunalkredit Public Consulting (KPC), des Umweltministeriums und Austrian Airlines entstanden. „Rund 1.000 Privatpersonen nutzen pro Quartal die Klimakompensation über das Buchungstool der Austrian-Airlines-Website. Aber es gibt auch immer mehr Unternehmen, die über Climate Austria ihre CO2-Emissionen aus der Geschäfts- und Reisetätigkeit kompensieren bzw. die CO2-neutrale Abwicklung ihrer Veranstaltungen organisieren. Wir machen das seit 2008 und verzeichnen steigende Nachfrage“, erklärt Alexandra Amerstorfer von KPC. Pro Jahr werden hier rund 30.000 Tonnen an CO2-Emissionen kompensiert. Bei der Flugbuchung kann jeder entscheiden, ob sein Beitrag in nationale oder internationale Projekte investiert wird. „Zu 90 Prozent werden nationale Projekte gewählt“, weiß Amerstorfer.

Kyoto-Mechanismen

Wesentlich bei Climate Austria ist, dass die Auszahlung an die Klimaschutzprojekte erst nach erfolgreicher Projektumsetzung passiert – ein Kritikpunkt an der Klimakompensation ist nämlich, dass die tatsächliche Kompensation teilweise erst weit in der Zukunft passiert. „Bei nationalen Projekten entsteht der Effekt meist erst ein Jahr später, der angelegte Standard entspricht jenem der Umweltförderung. Bei der Auswahl der internationalen Projekte gehen wir nach den internationalen Anforderungen der Kyoto-Mechanismen vor“, betont Amerstorfer zur Qualitätssicherung.

Reduzieren statt kompensieren

„Wenn diese Rechnung stimmt, steigen die Emissionen durch die Reise dank der Kompensation nicht“, sagt Karl Steininger vom Wegener Center der Uni Graz: „Aber wir kommen leider nicht weiter, wenn wir unsere Emissionen beibehalten. Wir müssen daran arbeiten, sie drastisch zu senken, wenn die Temperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts im globalen Mittel nicht um 4 bis 6 Grad Celsius steigen sollen!“ Selbst eine Erhöhung im globalen Schnitt um „nur“ 2 Grad würde für Österreich bereits 4,5 bis 6,6 Grad Celsius mehr bedeuten.

Seriöse Klimakompensation

Obwohl der Informationsgesellschaft viele Infos als Entscheidungsgrundlage für das (nachhaltigere) Leben und Handeln zur Verfügung stehen, reiche das nicht, meint Steininger: „Standards sind in diesem Zusammenhang wichtig. Das entbindet uns nicht, ständig Entscheidungen zu treffen, aber es kann helfen. Außerdem haben wir nie alle Informationen zur Verfügung – von einer Waschmaschine kenne ich die Daten zum Verbrauch, nicht aber die grauen Emissionen ihrer Herstellung.“ In Sachen Klimakompensation verweist Steininger auf die Wahl eines seriösen Anbieters, um nicht fragwürdigen Projekten aufzusitzen, wie Fabriken, die nur gebaut wurden, um sie dann einsparen zu können. „Insgesamt ist Kompensation sicher besser, als nichts zu tun, aber langfristig gesehen, müssen sich unser Verhalten und unser Lebensstil ändern.“

Sprich darüber!

Das eingangs erwähnte Phänomen, dass man sich „Sünden“ leistet, weil man seinen Beitrag an anderer Stelle schon geleistet hat, kennt Steininger aus Untersuchungen: „Dagegen kann nur helfen, sich mit anderen auszutauschen. Tue Gutes und sprich darüber – wer erzählt, Erfahrungen teilt und andere in ihrem nachhaltigen Lebensstil bestätigt, lernt für sich selbst daraus.“

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