Energie & Ressourcen
Die größte Volkswirtschaft der Welt hat in Sachen Abfallwirtschaft noch große Aufgaben zu lösen. Ersten Erfolgen stehen gewaltige Herausforderungen gegenüber. Ein Blick ins Land des Drachen.
Als Steirerin in China musste sie sich an einiges gewöhnen. Auch an Dinge, an die man sich gar nicht gewöhnen will. Den Umgang mit dem Thema Müll beispielsweise. Seit mehr als 3 Jahren lebt Julia Zotter in Shanghai. Bis heute stößt der Chefin des Zotter Schoko-Laden-Theaters in der 15-Millionen-Metropole die mangelnde Mülltrennung in chinesischen Haushalten sauer auf. „Offiziell gibt es ja sogar eine Trennung zwischen Recycling-Müll und Restmüll. Aber der genaue Unterschied wird kaum erklärt bzw. schert sich keiner darum“, weiß die 28-Jährige. „Und frühmorgens kann man auf der Straße beobachten, wie die Müllabfuhr den Abfall aus beiden Tonnen wieder zusammenschüttet.“
Einfach irgendwo abgelegt
Die Regierung tue zwar mehr und mehr, um die Leute zum Mülltrennen zu animieren. „Bei den meisten Menschen ist das allerdings noch nicht wirklich angekommen. Immer noch wird Abfall teils einfach aus dem Auto geworfen oder irgendwo abgelegt. Aber die Strafen dafür steigen und die Polizei kümmert sich jetzt mehr darum“, sieht Julia Zotter zumindest eine Entwicklung in die richtige Richtung. „Man darf nicht vergessen: Vor gar nicht allzu langer Zeit war Umweltschutz in China ja noch überhaupt kein Thema – das ändert sich nun nach und nach. Wir stehen am Beginn eines großen Bewusstseinswandels.“
Paradoxe Situation
Tadellos funktioniere bereits das System der Müllabfuhr. „Ich sehe selten überfüllte Mülltonnen und Abfalleimer. Selbst wenn die Leute ihren Müll abends am Gehsteig zurücklassen, ist in der Früh immer alles weg. Von Zuständen wie in Neapel ist Shanghai also weit entfernt.“ Dafür sei, wie bekannt, die Luftverschmutzung ein zunehmend großes Thema. „Dazu tragen freilich auch die großen Müllverbrennungsanlagen bei.“ Eine durchaus paradoxe Situation: „Denn einerseits erregt Luftverschmutzung die Gemüter. Andererseits interessiert das, was mit dem Müll passiert, im Grunde genommen kaum jemanden – solange er abgeholt wird.“
Flächendeckende Entsorgung
Eine trotz allem positive Entwicklung der Abfallwirtschaft in China konstatiert auch Michael Nelles von der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock. „In den vergangenen 10 Jahren hat sich enorm viel getan. Auch wenn die Situation noch lange nicht mit mitteleuropäischen Standards vergleichbar ist.“ Während etwa vor dem Jahre 1990 erst 2 Prozent der Haushalte in China an eine Abfallinfrastruktur angebunden waren, ist es nun bereits die Mehrheit der Bevölkerung. „Vor allem in den Städten funktioniert die Entsorgung nahezu flächendeckend, in den ländlichen Regionen herrscht noch großer Aufholbedarf.“ Eine getrennte Sammlung wie in Europa gäbe es zwar nicht offiziell, bestätigt Nelles, dennoch würden einzelne Fraktionen wie Kunststoff und Papier separat abgeholt. „Private Firmen haben nämlich abseits des staatlichen Systems den Wert von Altstoffen längst erkannt und holen diese direkt bei den Haushalten oder kleineren Betrieben ab. Dadurch ist die Recycling-Quote in den vergangenen Jahren gestiegen.“
80 Prozent Bioabfall
Das größte Problem, so der Experte, sei aber der hohe Anteil biogener Abfälle im Restmüll. Bis zu 80 Prozent beträgt der organische Anteil am Siedlungsmüll – mit allen problematischen Folgen für die thermische Verwertbarkeit sowie die Deponierung. Ohne Zugabe heizwertreicher Brennstoffe wie Kohle ist dieser nicht brennbar und eine Deponierung ohne Vorbehandlung verursacht klimaschädliche Deponiegase. „Die getrennte Erfassung organischer Abfälle hat daher höchste Priorität“, analysiert Nelles. Aber auch die konsequentere Vorbehandlung von Siedlungsabfällen und eine genauere Erfassung gefährlicher Abfälle sind wichtige Zukunftsprojekte.“
Abfallaufkommen steigt
Die Zeit läuft. Mit steigendem Wohlstand ist auch die jährliche Abfallmenge zuletzt um drei bis acht Prozent pro Jahr gestiegen. 190 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle sind es schon heute in den Städten, bis 2030 werden 585 Millionen Tonnen pro Jahr erwartet. Nelles: „Gewaltige Investitionen sind für die Bewältigung der Herausforderungen nötig. Gerade für deutsche und österreichische Firmen aus dem Bereich Umwelttechnik sehe ich hier enorme Chancen.“ Auch Julia Zotter blickt zuversichtlich in Chinas Abfall-Zukunft: „In China ist das oft so: Wenn man sich hier einmal für etwas entscheidet, dann wird das meist gut und schnell durchgezogen. Ich bin sicher, irgendwann gibt die Regierung eine Direktive zum Thema Umweltschutz heraus und dann wird plötzlich viel in Bewegung kommen. Ich hoffe, dass es bald passiert und zwar im großen Stil.“