Energie & Ressourcen
Problemfraktion Restmüll. Die Menge steigt massiv, die Zahl der Fehlwürfe ist groß. Grund genug für den Abfallverband Graz-Umgebung Pilotprojekte im Bezirk zu initiieren. Mit laufenden Kontrollen bis „Pay as you throw“ sagt man der teuersten Fraktion den Kampf an.
Jährlich 94 Kilogramm pro Kopf und Nase im Bezirk Graz-Umgebung: Die Menge an Restmüll wird permanent größer. Die Kosten für die Verwertung und Entsorgung steigen, während die Trennungsmoral sinkt. Allzu oft verlässt man sich darauf, dass ohnehin maschinell aussortiert wird. Allerdings: Mit insgesamt rund 14.000 Tonnen ist Restmüll die größte Abfallgruppe im Bezirk. Noch vor 20 Jahren betrug das Aufkommen 77 Kilogramm pro Einwohner und war damit um 18 Prozent geringer. Problematisch ist vor allem auch die hohe Zahl der Fehlwürfe: Biomüll, Verpackungen, Elektroaltgeräte vom Haarfön bis zur Bohrmaschine, nicht restentleerte Spraydosen, Altkleider und Schuhe sowie Batterien landen zuhauf im Restmüll – es sind steiermarkweit auch allein 50 Millionen Liter falsch entsorgte Wasserflaschen.
Fehlwürfe im Restmüll: Wirksame Hebel finden
Bis zum Jahr 2030 sollen allerdings EU-weit 55 Prozent aller Plastikverpackungen recycelt und 90 Prozent aller Einwegflaschen gesammelt werden. Damit das Einhalten dieser Ziele in erreichbare Nähe rückt, ist eine korrekte Entsorgung und die nachhaltige Sensibilisierung dafür unabdingbar. Markus Windisch, Obmann des AWV Graz- Umgebung: „ Restmüll ist die teuerste Fraktion und Fehlwürfe verschwenden wertvolle Ressourcen. Mir fehlt die öffentliche Empörung über mangelnde Mülltrennung.“
Der Abfallwirtschaftsverband Graz-Umgebung hat in Kooperation mit den Entsorgungsunternehmen Müllex Umwelt Säuberung und FCC Austria Abfall Service mehrere Projekte in der Pilotregion OST initiiert. „Ziel ist es, in Kumberg, Laßnitzhöhe und St. Radegund unterschiedliche Maßnahmen zu testen und diese auch zu evaluieren, um herauszufinden, welcher Hebel am wirksamsten ist und ob beziehungsweise wie sich das Verhalten wirklich ändert“, sagt Angelika Lingitz vom AWV Graz-Umgebung über die Pilotprojekte. Die richtige Trennung des Abfalls soll forciert, die Trennqualität unter Einbindung der Einwohner und Gemeinden gesteigert und eine bürgernahe Sammlung entwickelt werden.
Wunsch und Wirklichkeit triften auseinander
Ausgangspunkt für die Entwicklung der Maßnahmen war eine anonyme Umfrage des Abfallwirtschaftsverbandes Graz-Umgebung im Jahr 2018 unter 1.700 Bürgerinnen und Bürgern aller Altersgruppen in den 36 Gemeinden des Bezirks. Wunsch und Wirklichkeit driften auseinander: Die Ergebnisse zeigten eine hohe Bereitschaft Müll zu trennen (99 Prozent finden es sinnvoll den Abfall zu trennen und sammeln den Müll vorsortiert im Haushalt), sie schätzen ihr Wissen über die richtige Mülltrennung gut ein (über 90 Prozent kennen die Trennvorschriften „sehr gut“ oder „gut“) und üben keine Kritik an der Müllabfuhr (97 Prozent sind mit dem Service zufrieden).
Lebensressort-Landesrat Johann Seitinger dazu: „Die Mülltrennung ist das Rückgrat der Ressourcenwirtschaft – das heißt, dass das Bewusstsein dahingehend ständig zu schärfen ist. Rohstoffe stehen uns nicht endlos zur Verfügung. Umso wichtiger ist es, diese in einen intelligenten Kreislauf zu führen. Gerade in einem hochentwickelten und exportorientierten Industrieland ist die Verfügbarkeit und Versorgungssicherheit von größter Bedeutung.“
Erwünschtes Verhalten verstärken
Das Projekt in Kumberg ist im Mai gestartet: Das Sammelpersonal macht auf den Touren seitdem Sichtkontrollen zur Restmüllzusammensetzung der Haushalte, denn viele Fehlwürfe können schon direkt bei der Behälterentleerung erkannt werden. Die Bewohner erhalten dann ein unmittelbares Feedback zu ihrem Trennverhalten. „Ich war selbst schockiert, was alles im Restmüll landet, es waren irrsinnig viel Plastikflaschen mit dabei“, berichtet Rosmarie Trummer von der Marktgemeinde Kumberg. Die grüne Ampel-Karte erhält man, wenn es nichts zu beanstanden gibt – mit ihr kann man an einem Gewinnspiel teilnehmen, bei dem ein Wochenendtrip verlost wird. „Wir wollen nicht sanktionieren, sondern ausschließlich positive Impulse geben und damit das erwünschte Verhalten verstärken“, erklärt Lingitz. Mit insgesamt rund 300 Tonnen pro Jahr ist der Restmüll die größte Abfallgruppe in der Gemeinde, mit der Maßnahme soll die Restmülltonne bei vorbildlichem Trennungsverhaltem wieder schlanker werden. „Wir wollen aufzeigen, wie viel es bringt, beim Trennen mitzumachen“, so Trummer.
Pilotprojekt in 27 Haushalten
Vor allem in Mehrparteienhäusern lässt die Trennung oft zu wünschen übrig, berichtet Lingitz, „im Gegensatz zum Einfamilienhaus schützt hier ein gewisses Maß an Anonymität“. In Laßnitzhöhe wurde daher ein solches mit 27 Haushalten für das Pilotprojekt auserkoren. Die Restmüllmenge lag hier mit jährlich 230 Kilogramm pro Bewohner um mehr als das Doppelte über dem Gemeindedurchschnitt. 109 Kilogramm pro Einwohner stehen wiederum einem Wert von 94 Kilogramm als durchschnittlichem Restmüllaufkommen im gesamten Bezirk gegenüber.
Personalisierte Vorsammelsäcke
Es gibt nicht nur bei Verpackungen verstärkt Unklarheiten, immer wieder fanden sich auch in Laßnitzhöhe Batterien im Müll, die eigentlich in der Problemstoffsammlung oder beim Händler entsorgt hätten werden müssen. Jede Wohneinheit erhielt personalisierte beziehungsweise nummerierte Vorsammelsäcke, die für den Restmüll verwendet werden sollten – inklusive Informationen zur korrekten Mülltrennung. Die Restmüllbehälter, aber auch Altpapier, Leichtfraktion und Biomüll wurden und werden nun laufend kontrolliert. Ziel ist es, durch Verbesserung der Mülltrennung zukünftig einen Restmüll-Behälter in dem Haus einzusparen und damit eine mögliche Kostenersparnis von mehr als 1.500 Euro pro Jahr zu erreichen. Zum Abschluss winkt ein Siedlungsfest.
Restmüll: Gechipte Tonnen
In St. Radegund bei Graz laufen derzeit die Vorbereitungen für die technische Umsetzung auf Hochtouren, wie Gemeinderat Günter Lesny berichtet. Die Ausstattung der Bewohner mit gechipten Tonnen wird im November erfolgen. Auch wenn es in punkto Gebührenumstellung doch eine gewisse Skepsis gebe, werde das Projekt jetzt doch von allen mitgetragen. „Wir können durch das Umstellen auf die Behälter allein mehr als eine viertel Tonne Plastiksäcke einsparen.“ Gestartet wird das Projekt, das ein verursachergerechtes Gebührensystem mit Behälteridentifizierung erprobt, mit Anfang 2020. „Die Restmüll-Behälter werden mit RFID-Tags ausgestattet. Der jeweilige Behälter wird bei der Entleerung registriert und die Anzahl der Entleerungen pro Jahr kann so über die Gemeinde an die Bürger verrechnet werden“, beschreibt Lingitz das Konzept „PAYT – pay as you throw“. Die Haushalte zahlen damit nur jene Restmüllsammlungen, die auch wirklich genutzt wurden. Es wird derzeit schon in Gratwein-Straßengel, Stattegg und Übelbach eingesetzt, wurde aber noch nicht evaluiert, auch die direkten Auswirkungen auf das Mülltrennverhalten sollen unter die Lupe genommen werden. „Das Pilotprojekt ist eine gute Möglichkeit, um anzuregen, sich darüber Gedanken zu machen, wie man Abfall vermeidet“, so Lesny.
Recycling von Restmüll: Jeder Beitrag zählt!
„Der einzelne nimmt sich da gerne aus der Verantwortung. Restmüll kann nie mehr so effizient recycelt werden, das maschinelle Nachtportieren ist sehr kostenintensiv“, gibt Lingitz zu bedenken. Zumeist sei es so: „Wo bereits im Haushalt gut vorsortiert wird, gibt es viel seltener Fehlwürfe. Personen, die sich diesem System aber verweigern, sind sehr schwer zu erreichen. Vor allem in Mehrparteienhäusern existiert häufig eine Negativspirale, wenn beobachtet wird, dass andere die Mülltrennung nicht einhalten, die Motivation lässt dann bei allen nach. Dem gilt es entgegenzuwirken.“
- In St. Radegung bei Graz will man das Potenzial von gechipten Tonnen testen. Die Haushalte sollen dann nur jene Restmüllsammlungen bezahlen, die auch wirklich genutzt wurden („PAYT – pay as you throw“).
- In Kumberg werden Sichtontrollen durchgeführt. Die Bewohner erhalten unmittelbares Feedback zu ihrem Trennverhalten.
- In Laßnitzhöhe wird mit personalisierten Vorsammelsäcken gearbeitet. Die Restmüllbehälter werden laufend kontrolliert.
Ein weiteres Projekt, mit dem man Fehlwürfe reduzieren will: das Projekt Smart Village, umgesetzt von Saubermacher und Partnern in Riegersburg und in Feldkirchen. Sensoren scannen hier den Müll, während er in den Müllwagen geladen wird.
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