Klimawandel stoppen: Was Unternehmen und Konsumenten tun können

Wirtschaft & Standort

Wenn alle mithelfen und gegen den Klimawandel aktiv werden, wird das Leben viel schöner, sagt eine renommierte Klimaforscherin. Gemeinsam mit steirischen Unternehmerinnen und Unternehmern sprach sie beim Runden Tisch von ROHSTOFF über konkrete Maßnahmen, um den Klimawandel zu stoppen und wie sich das für die Umwelt rechnet.

Immer mehr Konsumenten achten beim Einkaufen auf Nachhaltigkeit, Passivhäuser liegen im Trend. In Deutschland gibt es einen Vorstoß, Verbrennungsmotoren in PKW bis 2030 zu verbieten. Tun wir nicht schon genug für den Klimaschutz?

Helga Kromp-Kolb: Nein. Wir emittieren nach wie vor viel zu viel. Im soeben in Kraft getretenen Klimavertrag ist eine Erderwärmung von 2 Grad als obere Grenze festgelegt, wozu global noch maximal 1.000 Gigatonnen CO2 emittiert werden dürfen. Heruntergebrochen auf den Anteil Österreichs, der rund einem Tausendstel der Weltbevölkerung entspricht, wäre das eine Gigatonne. Das klingt viel, ist aber in 14 Jahren verbraucht, wenn der Verbrauch so bleibt wie er ist. Wenn man bedenkt, dass noch jeder 2. Haushalt mit Öl, Kohle oder Gas heizt, von den Klimasündern im Verkehr ganz zu schweigen, erfordert das eine massive Anstrengung – so stark wie sie damals beim Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg war. Ich sehe aber noch nicht den Ansatz einer Bewegung.

„Es braucht eine Bewegung, die so stark ist wie jene damals beim Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg.“Helga Kromp-Kolb, Klimaforscherin an der BOKU Wien

Helga Kromp-Kolb

(c) WKO/Lunghammer

Nach dem 2. Weltkrieg waren die Probleme offensichtlich: kaputte Häuser, verwüstete
Straßen etc. Der Klimawandel ist heute noch nicht so sichtbar.
Packen deshalb nicht alle mit an?

Kromp-Kolb: Er ist nicht so spürbar, aber wir müssen verstehen, dass er viel bedrohlicher ist. Es geht schon lange nicht mehr um das persönliche Wohlbefinden sondern um das Überleben der Menschen. Die Gesellschaft ist in den letzten Jahren immer weiter auseinandergedriftet. Mit einem gemeinsamen Ziel – das Handeln gegen den Klimawandel – könnte man die Menschen wieder vereinen. Und vor allem wird das Leben viel schöner, wenn wir klimaschonend agieren. Wir müssen nicht „verzichten“, wir müssen uns nur umgewöhnen, um es nachher besser zu haben als vorher.

Inwiefern hat der Klimawandel das Ressourcenmanagement in der Steiermark verändert oder muss das noch passieren? Läuft die Verwertung heute noch ähnlich ab wie vor 20 Jahren und ist der Unterschied primär der Aufhänger: Damals waren „günstig und sauber“ die Argumente, heute „nachhaltig und grün“?

Daniela Müller-Mezin: Da hat sich eine Menge zum Positiven verändert. Man sieht heute sehr deutlich, dass die getrennte Sammlung was bringt und die Recyclingquoten bestätigen das auch. Die Frage stellt sich in Zukunft – wir müssen unsere Recyclingquoten laut EU erhöhen, was mit viel technischem Aufwand verbunden ist oder mit einem radikalen Umdenken der Bevölkerung, bewusster zu konsumieren. Hie und da stellt sich aber die Aufwand-Nutzen-Frage: Bringt es noch etwas, wenn ich mit viel Aufwand aus dem Restmüll noch mehr Fremdstoffe heraushole als man das heute tut, und diese kleine Menge dann recycle? Welche Emissionen verursacht man durch das Recycling? Eines haben wir in den letzten Jahren auf jeden Fall gelernt: Man muss innovativ sein, etwas ausprobieren. Solche Ideen wie aus Kunststoffabfällen Dachziegel, Leitplanken etc. herzustellen, finde ich super. Leider hat sich diese Idee aber noch nicht wirklich durchgesetzt.

„Eines haben wir in den letzten Jahren auf jeden Fall gelernt: Man muss innovativ sein, etwas ausprobieren.“Daniela Müller-Mezin, Obfrau der FG Entsorgungs- und Ressourcenmanagement

(c) WKO/Lunghammer

Wären gesetzliche Rahmenbedingungen ein Ansatz, also dass man die
Verwendung von Recyclingkunststoff bei bestimmten Produkten vorschreibt?

Kromp-Kolb: Ich sehe es schon als Aufgabe des Gesetzgebers, einen Rahmen zu schaffen, der nachhaltiges und klimafreundliches Handeln leichter macht als das Gegenteil. Denn der Mensch ändert seine Gewohnheiten viel eher, wenn die Strukturen passen – etwa ein Radweg vorhanden ist oder ein Fahrradabstellplatz.

In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten spielen aber auch die Kosten eine Rolle
und da schneidet die Nachhaltigkeit auf den ersten Blick oft schlecht ab …

Manfred Pichler: Ja, weil man nicht den gesamten Lebenszyklus eines Produktes betrachtet. Ein großes Problem im Wohnbau ist derzeit, dass leistbarer Wohnraum fehlt. Deshalb interessiert es auch keinen, wie nachhaltig das Haus gebaut wird. Vor der Bankenkrise war das ganz anders, da haben die Menschen schon viel mehr auf nachhaltiges Bauen Wert gelegt. Heute geht es nur mehr darum, was in der Anschaffung günstiger ist und wie man es sich leisten kann.

Kromp-Kolb:
Im Grunde genommen ist das aber Betrug an den Bauherrn, wenn man ihnen nicht klar macht, dass die Einsparungen durch niedrigere Baukosten später mehrfach durch erhöhte Energiekosten hinblättern werden.

Pichler: Auch das Fördersystem gehört umgestellt, da muss man die gesamten Lebenszykluskosten inklusive grauer Energie berücksichtigen, alles andere ist schwachsinnig.

„Ein großes Problem im Wohnbau ist derzeit, dass leistbarer Wohnraum fehlt. Deshalb interessiert es auch keinen, wie nachhaltig das Haus gebaut wird.“Manfred Pichler, Pichler Wohnbau GmbH

Manfred Pichler

(c) WKO/Lunghammer

Mit dem „Navi für Radfahrer in Städten“ und anderen Softwarelösungen und Konzepten, die Bike Citizens für Städte und Unternehmen entwickelt, wird die nachhaltige Mobilität gefördert. Hat der Nachhaltigkeitsgedanke bei der Unternehmensgründung eigentlich eine Rolle gespielt?

Thomas Rath:
Nachhaltigkeit ist ein sehr umfassender Begriff. Wir wollten auf jeden Fall etwas machen, was Menschen vor allem im urbanen Bereich hilft, und ein Stück weit zur besseren Lebensqualität in Städten beiträgt. Die meisten Navigationssysteme basieren auf Straßen für Autos, weshalb sie für Radfahrer nicht so gut geeignet sind. So haben wir mit der Entwicklung unserer Karten angefangen, um das Radfahren so einfach und so zugänglich wie möglich zu machen und Leuten zu helfen, ihre Stadt neu zu erleben. Damit wollen wir auch all jene an-sprechen, die zwar schon mit dem Gedanken gespielt haben, ihre täglichen Wege mit dem Rad zu fahren, aber dies noch nicht in die Tat umgesetzt haben. Radfahren schützt ja nicht nur das Klima, man kommt mit dem Fahrrad in der Stadt meist auch schneller von A nach B und trägt dazu bei, dass weniger Fläche verbraucht wird. Zum Beispiel braucht ein Fahrradabstellplatz deutlich weniger Platz als ein Auto-Parkplatz. Diese dazugewonnene Fläche könnte doch für so viele Dinge viel besser genutzt werden.

Nicht die Nachhaltigkeit ist das Argument sondern ein konkreter Nutzen für den Kunden …

Pichler: Der fehlt bei vielen nachhaltigen Produkten leider noch. Solange es keine elektrobetriebenen Nutzfahrzeuge gibt, mit denen ich zumindest 8 Stunden lang ohne Aufladen arbeiten kann, ist das einfach nicht praxistauglich. Da muss sich noch viel ändern, damit man nachhaltig arbeiten kann.

Dennoch: Wie kann man als Unternehmer jetzt schon zu einer positiven Veränderung beitragen?

Kromp-Kolb: Wir haben an der BOKU das „Council für nachhaltige Logistik“, zu dem sich 15 der größten Unternehmen aus Handel, Logistik und Produktion zusammengeschlossen haben. Diese Unternehmen finanzieren 1,5 Forschungsstellen, die an Möglichkeiten arbeiten, Nachhaltigkeit in der Praxis umzusetzen. Und wenn sich da ein paar große Firmen zusammentun, hat man schon einen starken Hebel, auch in Richtung Politik. Die Veränderung muss scheinbar Bottom-Up passieren …

Müller-Mezin:
Für mich als Unternehmerin ist es unverständlich, was da teilweise abläuft. Warum gibt es noch immer Stoffflüsse quer durch Europa, obwohl alle wissen, dass es regionale Kreisläufe braucht – für Klimaschutz und die Stärkung der heimischen Wirtschaft. Das Ganze ist schon oft eine Frage der Gewinnmaximierung. Natürlich spart ein Hersteller Geld, der die niedrigen Lohnkosten in Asien ausnützt und dazu die günstigen Transportkosten, um ein Produkt quer über die Welt zu verschiffen. Und natürlich muss ich als Unternehmen Gewinn machen, um überleben zu können. Aber es gibt sehr wohl Spielraum und da hat es jeder Unternehmer selbst in der Hand, ob er mitmacht oder nicht.

Und was die Konsumenten angeht, wie kann man als Unternehmer bei diesen einen Wandel bewirken?

Rath: Man muss die Vorteile erlebbar machen, etwa dass man mit dem Rad in der Stadt schneller ist als mit dem Auto und dass man weitaus mehr vom Flair der Stadt mitkommt. Argumente wie Klimaschutz reichen nicht.

Kromp-Kolb: Möglichkeiten zum Ausprobieren sind gut, so wie das Autofasten. Das ist eine ganz unverbindliche Möglichkeit, bei der schon viele gemerkt haben, dass es eigentlich ganz praktisch ist, mit dem Fahrrad oder dem Zug zu fahren.

„Man muss die Vorteile erlebbar machen, etwa dass man mit dem Rad in der Stadt schneller ist als mit dem Auto und dass man weitaus mehr vom Flair der Stadt mitkommt.“Thomas Rath, BikeCityGuide Apps GmbH

Thomas Rath

(c) WKO/Lunghammer

 

Für all jene, die nun ganz konkret etwas tun möchten, um ihren ökologischen
Fußabdruck zu verbessern: Was würden Sie raten?

Kromp-Kolb: Man sollte wieder mehr Bürger werden und weniger Konsument. Sich nicht darüber definieren, was man kauft, sondern was man ist. Und dass man mit offenen Augen durch die Welt geht und durchaus nachfragt: Etwa im Bio-Supermarkt, warum es keine österreichischen Zwiebel gibt. Damit nützt man die Macht des Konsumenten und diese ist größer als man denkt. Mit seinem Beruf sollte man in irgendeiner Form dazu beitragen, Probleme zu lösen. Und hinderliche Gesetze dürfen dabei nicht als Ausrede gelten, wie Heini Staudinger beweist.
Er hat darum gekämpft, sein Finanzierungsmodell zu legalisieren und damit Bewusstsein für ein Problem geschaffen. Mittlerweile gibt es ein neues Crowdfunding-Gesetz, das es Unternehmen viel leichter macht, Geld von Privaten zu leihen.

Rath: Die Gesetze und die Gesellschaft sind vom Menschen gemacht, deshalb kann auch nur der Mensch sie ändern.

(c) Hintergrundbild: Pixabay

Auch im kleinen Rahmen kann man als Unternehmer einen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz und für mehr Nachhaltigkeit leisten. Die Teilnehmer des Runden Tisches empfehlen dazu unter anderem:

  • Innovativ sein und Neues ausprobieren!
  • Sich nicht von Gesetzen abschrecken lassen (u.a. beweist Heini Staudinger beweist, dass nichts in Stein gemeißelt ist, siehe dazu Artikel „Die Schuhe des Lebens“ auf NEWS.at)
  • Nicht den Klimaschutz als Verkaufsargument nutzen, sondern den Konsumenten einen konkreten Benefit bieten (wie zB das App Bike Citizens)
  • Sich mit anderen Unternehmen zusammentun (wie die 15 Handels-, Logistik- und Produktionsunternehmen im Council für nachhaltige Logistik)
  • In Sachen Regionalität den Spielraum ausnützen, den man als Unternehmer hat – man muss nicht überall mitmachen.

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