Mikroplastik auf einem Teller

Jede Woche essen wir bis zu 5 Gramm Mikroplastik

Forschung & Innovation

Dass Mikro- und Nanoplastikpartikel unsere Umwelt überschwemmen und selbst im menschlichen Körper überall zu finden sind, wurde längst nachgewiesen. Welche Wirkung das auf unsere Gesundheit hat, ist bislang jedoch kaum untersucht. Das soll sich nun ändern.

Unberührte Natur wird immer seltener. Kunststoffe – in Form von Mikroplastikpartikeln – sind mittlerweile in unseren Meeren, im Schnee der Antarktis, im Boden von Nationalparks und auf Berggipfeln gefunden worden. Auch vor unserem Körper machen sie nicht halt. Je kleiner die Plastikpartikel sind, umso eher können sie alle Schranken im Körper passieren. Im Blut, im Gehirn, in der Plazenta und in der Muttermilch konnte man Mikroplastikpartikel bereits nachweisen.

Effekt erwartet
Im Projekt microONE arbeitet ein internationales Konsortium unter Führung des Grazer Forschungszentrums CBmed GmbH mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie seit fast zwei Jahren an der Frage, welche Auswirkungen Mikro- und Nanoplastikpartikel auf unsere Gesundheit haben; das wurde bisher nämlich kaum untersucht. Die Erwartungshaltung bei den Beteiligten ist klar: „Wir rechnen mit einem Effekt, denn wir essen in unseren Breitengraden bis zu 5 Gramm Mikroplastik pro Woche, also einen gehäuften Teelöffel voll! Es ist unwahrscheinlich, dass das nichts mit uns macht“, erklärt Wolfgang Wadsak, Managing Director von microONE.

Das Grazer Start-up econutri von Verena und Helmut Schwab beschäftigt sich damit, aus CO2 mit Hilfe von Bakterien Proteine zu gewinnen.

Veränderungen im Darm
In einem Teil des Projektes wird das Mikrobiom im Darm – also die gesamte Darmbakterien-Landschaft – unter die Lupe genommen. „Es gab Versuche, bei denen man menschlichen Stuhlproben Mikroplastik zugesetzt hat und Prozesse wie im Darm ablaufen ließ. Wir haben gesehen, dass manche Bakterienstämme in ihrer Aktivität verändert wurden. Weitere Untersuchungen müssen erst zeigen, ob dies immer gleich abläuft. Jedoch lässt sich sagen, das Mikrobiom scheint nicht ident mit jenem vor dem Zusatz von Mikroplastik zu sein“, fasst Wadsak die ersten vorläufigen Erkenntnisse der Forschung, die noch über zwei weitere Jahre laufen wird, zusammen.

Biochemische Wechselwirkung
Auch die Simulation, wie Kunststoffe mit Wirkstoffen aus Krebs-Medikamenten bzw. den körpereigenen Zielstrukturen reagieren, ist ein Teilprojekt innerhalb von microONE: „Es ist nicht auszuschließen, dass es hier eine Beeinflussung gibt, aber wir wissen noch nicht, wie diese aussieht. Mikroplastikpartikel könnten den Effekt der Medikamente ebenso verstärken wie abschwächen. Das alles gilt es noch herauszufinden“, sagt der Experte. Bei Untersuchungen von Mäusen mit chronischen Darmentzündungen habe man außerdem festgestellt, dass hier mehr Mikroplastik durch die bereits geschwächte Darmwand in den Körper eindringe und dort verbleibt.

Mikroplastik aus dem Alltag
Eines der großen Probleme in diesem Projekt sei übrigens, wie die Forschenden den Eintrag von Mikroplastik aus ihrer ganz normalen Arbeit in die Untersuchungen vermeiden können. Plastikpipetten, Laborgefäße, selbst Luft und Wasser sind nie völlig frei davon. Daher brauche es auch immer Blindproben (Positiv- und Negativkontrollen). Das Forschungsprojekt unter Beteiligung von RECENDT, Med Uni Graz, Med Uni Wien und Universität Wien sowie Universitäten aus Großbritannien, Italien, Deutschland und Litauen erregt große Aufmerksamkeit: „Jeder ist daran interessiert, endlich Daten dazu zu haben. Man weiß, dass beim Trinken aus einer Glasflasche nicht weniger Mikroplastik aufgenommen wird als aus einer PET-Flasche, denn die Glasflasche wird über Plastikfilter gewaschen. Oder dass Kristallsalz in Papier verpackt kaum Mikroplastik enthält, jenes aus Einweg-Salzmühlen aber jede Menge, wie eine Studie des Umweltbundesamts gerade erst gezeigt hat. Jetzt wollen wir alle wissen, was das mit uns macht.“

Mikroplastik auf einem Teller

Welche Auswirkungen hat Mikroplastik auf unseren Körper? (Foto: istock/YRABOTA)

Wolfgang Wadsak

Wolfgang Wadsack (Foto: Christian Houdek)

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