Wirtschaft & Standort
„Hast du dir wieder einen neuen Fetz‘n gekauft?“, heißt es umgangssprachlich bei uns und der Ausdruck passt ziemlich gut zur Statistik. Denn im Schnitt kaufen Europäer jedes Jahr fast 26 Kilogramm an Textilien und schmeißen gleichzeitig 11 Kilogramm weg. Aus (Fast) Fashion wird Fetzen …
Diese Zahlen sollten zum Denken anregen, ist die ressourcen-intensive Mode-Branche doch laut EU für rund 10 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich – das sind mehr als Luftfahrt und Seefahrt zusammengerechnet. Enorme Mengen an Wasser und Flächen zum Anbau von Baumwolle gepaart mit dem fehlenden Bewusstsein für die Auswirkungen von Fast Fashion sind ein Problem, das man nicht länger ignorieren kann. Die EU hat deshalb ab 2025 strengere Vorgaben für das Textilrecycling beschlossen.
Erst muss getrennt werden …
220.000 Tonnen Textilabfälle fallen jährlich in Österreich an und der überwiegende Teil wird aktuell verbrannt. Nur rund 50.000 Tonnen werden überhaupt getrennt gesammelt, wobei von dieser Menge 42 % wiederverwendet, 28 % recycelt und 30 % ebenso thermisch verwertet werden. Die Herausforderung liegt also darin, das Potenzial, das in Rohstoffkreisläufen liegt, besser zu nutzen. Dafür müssen Textilien zuerst aber einmal getrennt erfasst werden. Ab dem Jahr 2025 soll das entsprechend des „Green Deal“ der EU der Fall sein: Nicht nur Kleidung, auch Decken, Bettwäsche, Schuhe, Matratzen und Teppiche sind davon betroffen. Die getrennte Sammlung dient als Basis für die danach folgenden Recyclingstrategien.
Vor dem Hintergrund dieser EU-Vorgaben für das Textilrecycling hat das steirische Unternehmen REDWAVE, das Competence Center für Recycling- und Sortierlösungen der BT-Systems GmbH aus Brodersdorf, eine neue, vollautomatische, sensorgestützte Sortiermaschine für Textilien auf den Markt gebracht: Egal ob Seidenbluse, T-Shirt oder Jeans, die Technologie ersetzt die Handsortierung und kann darüber hinaus die unterschiedlichen Materialzusammensetzungen mit deutlich höherer Präzision erkennen und danach sortieren. „Die Sortiermaschine bietet nicht nur die präzise Erkennung verschiedener Materialzusammensetzungen, sondern kann auch genaue Materialanteile identifizieren und sortieren, wie etwa Textilien mit einem Baumwollanteil von 50 bis 80 %. Zudem ist die Maschine flexibel erweiterbar, um den individuellen Anforderungen unserer Kunden jederzeit gerecht zu werden“, beschreibt Angela Thaller. Die Maschine kann mit ganzen Kleidungsstücken oder auch geshredderten Materialien „gefüttert“ werden. Die Nachfrage nach der „Redwave Tex“ sei jedenfalls groß, obwohl die genauen Anforderungen der Textilrecyclingindustrie derzeit noch in den Kinderschuhen stecke, meint Thaller.
Lösung durch Auflösung
Nach der Trennung ist vor der Aufbereitung. Weitere steirische Unternehmen sind mit ihren Technologien in verschiedenen Teilprozessen des Textilrecyclings aktiv. So lieferte das Grazer Familienunternehmen GAW für den schwedischen Kunden Circulose, einen Spezialisten im Textilrecycling, eine Kontinuierliche Hydrosulfit-Löseanlage für ein neues Werk in Sundsvall. Diese arbeitet mit einer in der Zellstoff- und Papierindustrie bewährten Technologie. Dabei werden gebrauchte Baumwolle, Jeansstoffe, Rayon und andere Zellulosefasern aufgelöst und in einen neuen Rohstoff umgewandelt, den sogenannten Circulose®-Zellstoff. Dieser wird weiterverwendet, um biologisch abbaubare Viskose- oder Lyocell-Textilfasern für die Mode-Industrie herzustellen. „Circulose ist auf dem besten Weg die Modebranche zu revolutionieren und für uns ist es ein perfektes Referenzprojekt im Bereich Textilrecycling – einem Thema, dem insbesondere vor dem Hintergrund des europäischen Green Deals zukünftig immer mehr Bedeutung zukommen wird“, so GAW-Geschäftsführerin Nina Pildner-Steinburg.
Mechanisch und chemisch
Davon geht man auch beim Grazer Anlagenbauer ANDRITZ AG aus: „Wir sehen eine steigende Nachfrage und Interesse an der Technologie. Die automatisierte Auffaserungs- und Textilsortieranlage in Frankreich, die wir im November 2023 eröffnet haben und bei der auch Kundenversuche und F&E-Projekte laufen, ist sehr gut gebucht“, sagt Michael Waupotitsch, Vice President Textil Recycling. Gegenwärtig gebe es noch keine neuen Großaufträge, doch der Markt entwickelt sich langsam in die erwartete Richtung.
Im Bereich des „Mechanical Recycling“, also Zerreißen von Stoffen, hat das Tochterunternehmen ANDRITZ Laroche bereits hunderte Anlagen weltweit umgesetzt. Im „Chemical Recycling“, bei dem Mischgewebe in ihre einzelnen Bestandteile aufgetrennt werden, hat man an der Umsetzung eines Großprojektes in Schweden mitgewirkt und arbeitet an weiteren Projekten industrieller Größe. „Erst vor wenigenWochen haben wir etwa den Zuschlag für das sogenannte Concept-Engineering einer Großanlage zur Verarbeitung von Polycotton erhalten, die gleich mehrere 10.000 Tonnen pro Jahr recyclen könnte“, freut sich Waupotitsch. Das Potenzial für Unternehmen, die im Bereich des Textilrecyclings technologisch vorne mit dabei sind, ist groß. Experten erwarten eine Marktentwicklung wie beim Papierrecycling in den 1970er-Jahren.
Verpflichtung zu Recyclingfasern
Am Ende sollen Textilabfälle auf jeden Fall zu Recycling-Fasern für die Verspinnung, sowie für die Vliesstoff- und Verbundwerkstoffindustrie, aufbereitet werden – und auch als Kleidung, damit sich der Kreislauf schließt. „Die Märkte sind überschwemmt mit Fast-Fashion-Produkten, gleichzeitig brechen die Absatzmärkte für gebrauchte Textilien zusammen. Für den Aufbau einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft braucht es dringend regulatorische Rahmenbedingungen, wie etwa verpflichtende Einsatzquoten für Recyclingfasern“, betont auch Stefanie Köberl, Geschäftsleiterin von Saubermacher Österreich. Das Unternehmen forscht derzeit mit der Montan Uni Leoben und weiteren Partnern an ganzheitlichen Ansätzen, um den Textilkreislauf zu schließen.
Kleidung kreislauffähig produzieren
Genau diesen Kreislauf hat die EU auch mit einem weiteren Thema im Blick: mit den so genannten Ökodesignanforderungen. Dabei will man die Hersteller zur ressourceneffizienten Produktion mehrmals wiederverwendbarer Produkte verpflichten. „Wünschenswert wäre aber die Beschleunigung dieser geplanten Extended-Producer-Responsibility- Legislatur“, sagt Waupotitsch von der ANDRITZ AG. „Momentan scheint sich dieser Prozess noch bis 2027 auszudehnen. Auf dem Weg zur EU-Strategie, die bis 2030 vorsieht, dass Textilerzeugnisse langlebig, reparierbar und recycelbar sein sollen, gibt es gegenwärtig leider noch viele Unklarheiten.“
Die Herstellung von Textilien verbraucht enorme Ressourcen: Für die Produktion eines T-Shirts aus Baumwolle benötigt man laut dem Europäischen Parlament etwa 2.700 Liter Süßwasser – eine Menge, die ein Mensch in 2,5 Jahren trinkt.
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