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Die Klimakrise betrifft alle Menschen auf der Erde, aber auf ganz unterschiedliche Weise. Zwischen nördlicher und südlicher Erdhalbkugel, aber auch zwischen den Altersgruppen, dem Sozialstatus und den Geschlechtern sind die Auswirkungen ungleich verteilt – viel stärker als man annimmt.
Sowohl bei der Betroffenheit von den negativen Folgen der Klimaerwärmung als auch bei deren Verursachung gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern“, so Diana Hummel, Politikwissenschaftlerin am ISOE – Institut für sozialökologische Forschung in Frankfurt am Main. Generell kann man also sagen, der Klimawandel verstärkt soziale Ungleichheiten.
Weitreichende Faktoren des Klimawandels
Und von diesen sind Frauen im globalen Süden doppelt betroffen. Viele von der Erderwärmung beeinflusste Faktoren, die in unseren Breitengraden kaum bis gar keine Rolle spielen, sind den meisten Menschen gar nicht bewusst. Wer hat schon darüber nachgedacht, dass steigende Gewalt in der Familie oder sexuelle Übergriffe auf Frauen und Mädchen mit dem Klimawandel in Verbindung stehen können?
Anstieg von Gewalt
So müssen Frauen und Mädchen im globalen Süden, die oft für die Versorgung der Familie zuständig sind, aufgrund von klimawandelbedingten Dürren längere Wege zurücklegen, um Wasser zu holen und laufen damit stärker Gefahr, angegriffen zu werden und sexualisierter Gewalt zum Opfer zu fallen. Viele Familien in Entwicklungsländern sehen sich aufgrund von – durch Extremwetter verursachte – Minderernten gezwungen, ihre Töchter früh zu verheiraten bzw. gegen Vieh als Nahrungsmittel zu verkaufen. Einer von der IUCN (International Union for Conservation of Nature) durchgeführte Studie zufolge stieg der Menschenhandel in Thailand um bis zu 30 %, nachdem das Land 2013 vom Taifun „Haiyan“ getroffen wurde. Und im pazifischen Inselstaat Vanuata stieg nach zwei tropischen Wirbelstürmen die Anzahl der gemeldeten Fälle von häuslicher Gewalt um 300 % an.
Mehr weibliche Todesopfer bei Extremereignissen
Bei Überschwemmungen, Dürren oder extremen Hitzen, vor allem im globalen Süden, sterben mehr Frauen als Männer. Denn sie haben oft einen schlechteren Zugang zu Informationen, wie Katastrophenwarnungen, zum anderen können Frauen, die sich um gebrechliche Angehörige kümmern, Kinder betreuen oder schwanger sind, schlechter fliehen. Und sie verfügen oft nicht über die nötigen Mittel zur Flucht, lernen seltener schwimmen als Burschen. Durch kulturelle oder religiöse Traditionen tragen Frauen zudem oft Kleidung, die sie in ihrer Mobilität einschränkt.
Selbst auf der nördlichen Halbkugel haben Studien Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Bezug auf die Klimakrise ergeben: Bei Hitzewellen werden wesentlich häufiger Männer ins Krankenhaus eingewiesen als Frauen. Gleichzeitig ist aber die Sterblichkeit von Frauen bei derartigen Ereignissen statistisch signifikant höher, was nicht nur aus der durchschnittlich höheren Lebenserwartung von Frauen, sondern auch ihrer oftmals schlechteren häuslichen Versorgung resultiert.
Wer sind die Verursacher?
Und auch bei der Verursachung des Klimawandels gibt es geschlechterspezifische Unterschiede, zum Beispiel beim Konsum, so Diana Hummel: „Durchschnittlich betrachtet essen Männer mehr Fleisch, Frauen kaufen häufiger regional.“ Außerdem fahren Frauen weniger Auto und kommen auf weniger Flugmeilen als Männer. Dennoch rät Hummel dringend von Pauschalverurteilungen ab. Schließlich seien Frauen und Männer keine homogenen Gruppen. Individuelle Entscheidungen sind oft abhängig von fehlenden oder gegebenen Handlungsentscheidungen“, gibt sie zu bedenken. Es geht daher nicht nur um das individuelle Handeln, sondern auch um förderliche strukturelle Rahmenbedingungen für klimafreundlicheren Konsum oder Mobilität. „Hier sind Staat und auch die Wirtschaft gefragt, denn sie haben maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung des Angebots“.
Klimawandel als Verstärker
Der Klimawandel verstärkt soziale Ungleichheiten. Diese auszugleichen wäre das Ziel. Denn Studien zeigen klar: Je geschlechtergerechter eine Gesellschaft, desto kleiner der CO2-Fußabdruck pro Kopf. So ist laut einem Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) etwa die Kohlenstoffverschmutzung in Ländern, in denen Frauen ein größeres politisches Mitspracherecht haben, geringer. „Klimagerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit müssen deshalb in der Gesellschaft, aber auch in der Wirtschaft und Politik stärker zusammengebracht werden“.