Eine Stickerei eines Handys mit dem OFF-Button

Schneller geht (n)immer?

Leben & Gesellschaft

Der Kunde will Abwechslung und der Kunde will sie sofort. Kauften wir früher Kleidung nach den Saisonen, wechseln die Handelsketten ihre Kollektionen heute deutlich öfter als 4 Mal pro Jahr. Zwar ist bei richtiger Entsorgung nicht alles Müll, was weggeworfen wird, sondern wertvoller Rohstoff, dennoch ist das hohe Tempo selbst zum Problem geworden.

Die Ressource Zeit wird immer knapper. Gefühlt jedenfalls. Wir erinnern uns noch daran, als es normal war, einmal am Tag den Briefkasten zu leeren, um die Post zu lesen. Oder sich über die Tageszeitung am Morgen und die Nachrichtensendung am Abend über das Weltgeschehen zu informieren. Dann kamen E-Mails, Newsletter, Whatsapp, Push-Nachrichten und Business Chats. Mit jedem dieser Tools stieg der Druck unmittelbarer reagieren zu müssen: Schnell noch die letzten Stücke des Sommers kaufen, bevor der Sale in 3 Tagen zu Ende geht. Schnell noch ein Winke-Smiley schicken, bevor die Instagram-Story in 24 Stunden nicht mehr zu sehen ist. Schnell noch die Headlines der Nachrichten überfliegen, um im nächsten Small Talk sicher bestehen zu können.

Digital Awareness – zurück zur Selbstbestimmung

Die ständige Erreichbarkeit, der Informationsüberfluss und die Reizüberflutung können für das Gehirn belastend sein und genau das Gegenteil von dem bewirken, was wir uns von unseren kleinen Helferleins erwarten: Anstatt effizienter zu werden, sinkt die Konzentration und Wichtiges kann nicht mehr von Unwichtigem unterschieden werden. Wie kann man diesem Phänomen entgegenwirken? Wie kann man sich aus den Fesseln der medialen Welt befreien, ohne sie gänzlich verlassen zu müssen? Dominik Batthyány vom Institut für Verhaltenssüchte an der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien hat sich mit dem Thema Mediensucht auseinandergesetzt und empfiehlt die Entwicklung von „digital awareness“ – eines digitalen Situationsbewusstseins.

Eine Stickerei eines Handys mit dem OFF-Button

Handarbeiten wie das Sticken sind für manche eine Möglichkeit, um dem Informationsüberfluss zu entfliehen.
(Credit: WKO/Lunghammer)

Stehenbleiben und innehalten

Doch wie funktioniert das in einer Welt, in der der Blick auf das Smartphone ständig und schon fast beiläufig passiert? „Schaffen Sie medienfreie Räume – sowohl örtlich als auch zeitlich – und besuchen Sie diese bewusst“, sagt der Experte für Mediensucht. „Lassen Sie Ihr Handy in der Tasche, wenn Sie sich zum Essen verabreden oder verbannen Sie es aus dem Schlafzimmer, lenken Sie stattdessen Ihre Aufmerksamkeit auf das, was sie gerade tun. Halten Sie inne und geben Sie Ihrem Gehirn eine kurze Pause.“ Tagträumen und ins Narrenkastl schauen? „Unbedingt“, sagt Batthyány. „Jene Momente, in denen wir keine Reize empfangen, sind extrem wertvoll, um wieder klar zu sehen.“

Effizienz durch Entschleunigung

Ob Lebensmittel, Konsumgüter oder Zeit – der bewusste Umgang mit den Ressourcen setzt sich langsam durch. Im kalifornischen Silicon Valley boomen Digital-Detox-Camps, in denen die Besucher gänzlich auf die digitale Welt verzichten, um sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Es muss aber gar nicht so aufwändig sein. Ein Ausflug ins Grüne, gemeinsam Kochen oder Handarbeiten haben denselben Effekt. Abschalten und auf den Moment konzentrieren. Hin und wieder stehenbleiben und innehalten kann weitaus effizienter sein, als das Tempo halten zu wollen.

Wenn wir uns es nicht mehr leisten können, offline zu sein, können wir dennoch lernen bewusst mit dem Smartphone umzugehen:

1) Lassen Sie sich von der Technik helfen & erstellen Sie Filter, die nur Ihre wichtigsten Emails durchlassen. Newsletter, Werbung & Co können Sie dann zu festgesetzten Zeiten lesen.

2) Anstatt die Newsfeeds aller Apps einzeln durchzuscrollen empfiehlt es sich einen gebündelten zu erstellen. Auf Feedly oder Reeder können Sie die wichtigsten Medien und Blogs abbonieren.

3) Beobachten Sie Ihr Medienverhalten und gewinnen Sie die Kontrolle zurück, indem Sie sich auf Ihre Tätigkeiten konzentrieren und nicht von jedem Pieps ablenken lassen. Bei einer Besprechung oder einem Essen mit Freunden einfach einmal das Handy in der Tasche lassen!

4) Schaffen Sie sich medienfreie Räume und besuchen Sie diese aktiv! Gehen Sie eine Runde spazieren, genießen Sie die Natur, machen Sie Sport oder meditieren Sie! Hauptsache ohne Ablenkung!

Teile diesen Beitrag

Teile diesen Beitrag