„Internett“ oder digitales Teufelszeug?

Wirtschaft & Standort

Vom „World Wide Web als Klimakiller“ bis zum Internet der Dinge, das das Klima retten soll, finden sich die unterschiedlichsten und widersprüchlichsten Informationen zu den Auswirkungen der Digitalisierung – natürlich auch online.

Gut oder böse? Schwarz oder weiß? Ökologisch und grün oder düster und schmutzig? Der Mensch liebt die Sicherheit von klaren Verortungen im Werte-Raster, doch nicht immer lichtet sich selbst nach umfangreicher Recherche der Nebel. Das gilt auch für den Daten-Nebel: So vielfältig wie die Qualität der Informationen im Internet sind auch die Blickrichtungen, aus denen sich das Internet selbst betrachten und bewerten lässt. Für unsere Kindergartenkinder ist heute bereits sonnenklar, dass wir die Kontaktdaten der Sandkistenfreundin einfach googlen können. Öffnungszeiten, Routen, Hotelbuchungen – alles nur einen Klick entfernt. Ein Klick, der allerdings Strom verbraucht. Multipliziert mit der Zahl der Klicks, die wir täglich vielfach tätigen, und 3 Milliarden Internetnutzern insgesamt, reicht das kleine Einmaleins zur Berechnung der Auswirkungen nicht mehr aus. Klar ist: Das Internet belastet in Sachen Stromverbrauch die Umwelt. Antworten auf die Frage, wie stark diese Belastung ist, gibt es – ebenso wie Studien und Zahlen – unterschiedlichste.

Alles eine Frage der Nutzung

Internet, Laptop, Smartphone

Einfacher Zugang zur Information ist ein Pluspunkt der Digitalisierung, der steigende Energiebedarf die Schattenseite. (c) WKO/Lunghammer

Eine Google-Suche würde 7 Gramm CO2 verursachen, kann man unter anderem im Artikel „Das Google-Klima“ auf Sueddeutsche.de nachlesen, doch die Art der Internetverbindung, das benutzte Gerät und die übertragene Datenmenge sind Parameter, die den Wert stark verschieben. Eine Such-Abfrage per Smartphone könnte also nur auf 0,1 Gramm CO2 kommen, berechnen Experten. Allerdings lässt die Verbreitung der Smartphones die Zahl der täglichen Klicks wiederum enorm in die Höhe schießen …

Googles CO2-Bilanz bei Null?
„Um einem aktiven Nutzer einen Monat lang Google-Dienste zur Verfügung zu stellen, verbrauchen wir weniger Energie als für eine Autofahrt von einer Meile“, sagt Google über sich selbst. Man betreibe Rechenzentren, die zu den effizientesten der Welt gehören und 50 Prozent weniger Energie verbrauchen als die meisten anderen Rechenzentren. Durch „Bemühungen um Effizienz, den Kauf sauberer Energien und Klimakompensation“ senke man die CO2-Bilanz überhaupt auf Null. Einer unabhängigen Studie zu Folge verbraucht Google weniger als 0,01 Prozent des Stroms weltweit. Im „Clicking Clean Report 2015“ von Greenpeace USA schnitten vor allem Apple und Yahoo gut ab. Die iCloud von Apple wird nämlich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist. Google setzt ebenfalls bereits zu einem großen Teil auf Ökostrom und hat sich 100 Prozent zum Ziel gesetzt. Atom- und Kohlestrom kommen hingegen bei Amazon vorwiegend zum Einsatz, so Greenpeace.

Die Cloud braucht mehr Strom
Konzerne wie Google, Apple und Co. stehen quasi für „das Internet“ an sich. Doch ein Netz braucht Knotenpunkte, die Brücke zu uns Anwendern bildet vor allem die Infrastruktur der Telekommunikationsanbieter. Bis zum Jahr 2020 prognostiziert Ralph Hintemann vom Borderstep Institut allein in Deutschland einen Anstieg des Stromverbrauchs der Rechenzentren um 20 Prozent.

Citycom-Geschäftsführer Igo Huber (c) Citycom

Citycom-Geschäftsführer Igo Huber
(c) Citycom

Rechenzentren werden ständig optimiert
Verstärkt wird dieser Effekt durch Cloud Computing und Streaming-Dienste wie Spotify. Hoher Strombedarf bedeutet hohe Kosten für die Rechenzentrumsbetreiber. „Der Strom ist ein großer Kostenfaktor für Rechenzentren und der Verbrauch steigt exorbitant“, sagt Igo Huber, Geschäftsführer des Telekomanbieters Citycom, eines Tochterunternehmens der Holding Graz. „Man muss aber festhalten, dass Rechenzentren per se effizienter sind, weil die Server wesentlich besser ausgelastet sind, als wenn jede Firma selbst einen Server betreiben würde. Denn diese Server ,langweilen‘ sich einen Großteil der Zeit und verbrauchen trotzdem Strom.“ Optimiert werde in Rechenzentren ständig, sagt Huber: „Jedes Teil der Hardware muss möglichst energieeffizient sein.“ Neben dem Betrieb der Server frisst vor allem die Kühlung große Strommengen: Riesige Rechenzentren werden an Flüssen gebaut, um das Wasser zur Kühlung zu verwenden.

Der Teufel liegt im Detail
„Digitalisierung ist nicht grundsätzlich gut oder böse. Die Bewertung hängt von der Blickrichtung und der Systemgrenze ab“, sagt Romana Rauter vom Institut für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung der Karl-Franzens-Universität Graz. „Nachhaltigkeit hat außerdem nicht nur eine ökologische Dimension, sondern neben einer ökonomischen auch eine soziale. Die Frage ist: Wie gehen wir mit der Digitalisierung um?“ Die Potenziale liegen darin, dass Wissen online leichter zugänglich und kostengünstiger teilbar ist, die Transparenz enorm zugenommen hat und sich Prozesse wie beim „Internet der Dinge“, also miteinander kommunizierenden Maschinen, optimieren lassen. „Sprechen“ sich die Haushaltsgeräte mit dem Stromnetz ab, können Kühlschrank und Geschirrspüler ihren Energieverbrauch selbstständig an die Stromproduktion und unser Verhalten anpassen.

Wissenschaftlerin Romana Rauter (c) KK

Wissenschaftlerin Romana Rauter
(c) KK

Die Digitalisierung führt außerdem bewusst und unbewusst zu Verhaltensänderungen: „Die Teilnahme an einer Wissenschaftsveranstaltung per Videokonferenz kann CO2 einsparen, weil ich nicht hinfliege. Ein Online-Einkauf kann mir andererseits Zeit sparen und wenn ich diese dann, in einen Ausflug per Auto investiere, den ich sonst nicht gemacht hätte, ist fraglich, ob ich tatsächlich CO2-Emissionen einsparen kann“, meint Rauter. Auch Reiseplanung mit Online-Tools verbraucht Strom, kann aber Wege minimieren helfen oder umweltfreundliche Alternativen fördern (Vorschläge für öffentlichen Verkehr bzw. Fußweg).

Und die Moral der Geschichte? „Internett“ oder nicht? – Der Teufel liegt wohl im Detail. Oder mit den Worten von Romana Rauter: „In diesem Zusammenhang kommt es sicher auf den verantwortungsvollen Umgang der Gesellschaft mit der Technologie an.“


Den sechstgrößten Stromverbrauch weltweit hätte das Internet laut Greenpeace, wenn es ein Land wäre. Doch es gibt mittlerweile Bestrebungen für ein „umweltfreundliches Internet“.

Clicking Clean Report

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